Geldanlage

„Greta-Faktor“ kommt im Depot noch nicht richtig an

Profi-Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen setzen immer stärker auf Aktien ökologisch und sozial agierender Unternehmen. Das treibt deren Kurse in die Höhe. Privatanleger sollten dem Beispiel folgen, um langfristig vom neuen Trend zu profitieren, raten Experten.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Windenergie ist weitgehend CO2-neutral. Auch Privatanleger können bei kluger Auswahl der Titel von dem Trend zu ökologisch und sozial agierenden Unternehmen profitieren.

Windenergie ist weitgehend CO2-neutral. Auch Privatanleger können bei kluger Auswahl der Titel von dem Trend zu ökologisch und sozial agierenden Unternehmen profitieren.

© fineart-collection / stock.adobe.com

Neu-Isenburg. Die Deutschen achten im Alltag stärker auf den Klimaschutz, nicht jedoch bei der Kapitalanlage. Das zeigt die aktuelle Umfrage zum Verantwortungsbarometer 2020 der US-Investmentgesellschaft Fidelity International in Frankfurt am Main, für die das Marktforschungsinstitut Kantar EMNID 3240 Anleger befragt hat.

Danach haben zwar 83 Prozent der Bundesbürger nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr ihren Plastikverbrauch reduziert und 61 Prozent auf mindestens eine Flugreise verzichtet. Hingegen meiden die meisten Anleger Aktien von Unternehmen, die nachhaltige Geschäftsstrategien verfolgen, und Fonds, die in solche Werte investieren. „Der Greta-Faktor kommt in der Geldanlage nicht an“, sagt Alexander Leisten, Leiter des Deutschlandgeschäfts von Fidelity International.

Angst vor geringeren Erträgen

Jeder zweite Befragte würde demnach nur in Fonds investieren, die auf Aktien von nachhaltig operierenden Konzerne setzen, wenn er die Gewissheit hätte, dass dies nicht zulasten der Rendite gehen würde. Neun Prozent lehnen aus Angst vor geringeren Erträgen grundsätzlich Fonds ab, die in Wertpapiere ökologisch orientierter Unternehmen investieren. 47 Prozent der Befragten fordern, Banken und Sparkassen müssten stärker über solche Anlageprodukte informieren.

„Bei der nachhaltigen Geldanlage sind noch hohe Hürden zu nehmen“, sagt Leisten. „Bei den Privatanlegern kommt die Bedeutung dieses Themas bislang nicht an.“ Anders sieht dies bei institutionellen Investoren wie Family Offices, Pensionskassen und Versicherungen aus. Sie investieren bereits seit einigen Jahren immer stärker in sogenannte ESG-Werte. Das Kürzel steht für die drei englischen Begriffe Environment, Social und Governance. Gemeint ist damit zu deutsch: Umweltschutz, soziale Verantwortung und nachhaltige Unternehmensführung.

Weltweit richten bereits 78 Prozent der institutionellen Investoren ihre Kapitalanlagen zumindest teilweise auf Aktien und Anleihen von Unternehmen aus, die ESG-konform agieren. Das zeigt die jüngste Studie der Global Sustainable Investment Alliance, einem internationalen Zusammenschluss von Banken, Beteiligungsgesellschaften, Ratingagenturen und Vermögensverwaltern, darunter aus Deutschland die Allianz und Fondsgesellschaften wie die DekaBank und Union Investment.

Danach ist das weltweit in Unternehmen, die nach ESG-Kriterien operieren, investierte Vermögen von 2016 bis Ende 2018 um 34,4 Prozent auf 30.683 Milliarden US-Dollar, umgerechnet rund 33.751 Milliarden Euro gestiegen.

Profi-Investoren preschen vor

„Profi-Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen agieren langfristig“, sagt Karsten Güttler, Stratege für nachhaltige Anlagen bei der Schweizer Großbank UBS. Sie hätten erkannt, dass rund um den Globus Konsumenten beim Kauf von Produkten immer stärker darauf achten, dass deren Hersteller die Umwelt und das Klima schützen, Beschäftigte fair bezahlen und keine Korruption betreiben. Das beschwert diesen Unternehmen immer größere Marktanteile, stärkt ihre Umsätze und Gewinne und beschert so den Aktionären immer höhere Dividenden.

Selbstverstärkender Nebeneffekt

„Zudem hat der allgemeine Trend zu nachhaltigen Anlagen einen selbstverstärkenden Nebeneffekt“, sagt Güttler. Die stärkere Nachfrage der Investoren treibt die Kurse dieser Aktien und Anleihen stärker in die Höhe. Hingegen würden Börsenwerte von Unternehmen, die nicht nachhaltig agieren, „tendenziell weniger nachgefragt, was deren Preis drückt“, sagt Güttler. „Das Thema saubere Umwelt ist als absolute Notwendigkeit in der Wirtschaft angekommen“, sagt auch Ralph Rickassel, Investmentexperte bei PMP Vermögensmanagement (Düsseldorf). Immer mehr Unternehmen arbeiteten daran, ihre CO2-Emissionen zu verringern. Das koste zwar zunächst Geld, stärke aber langfristig die Marktposition.

Ein Beispiel dafür sei der „radikale Umbau von Energiekonzernen“, sagt Rickassel. So hat der deutsche Stromkonzern RWE seit 2012 seinen Kohlendioxid-Ausstoß um ein Drittel verringert und ist zu einem der größten europäischen Produzenten von Wind- und Solarenergie geworden.

Die Trendwende in der Wirtschaft sollte nicht ignoriert werden, sagt Rickassel. „Langfristig orientierte Anleger können davon profitieren, wenn sie auf entsprechende Werte setzen.“

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen