Zielpreise sind eine Option für die Zukunft

Nach dem Scheitern der zweiten AOK-Rabattausschreibung vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg wurde bei der AOK auch über Zielpreise nachgedacht. Unterdessen schließen immer mehr AOKen Sortimentsverträge. Über Konzept und Chancen von Zielpreisen sprachen wir mit dem DAV-Vorsitzenden Hermann Keller.

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Zur Person Hermann Stefan Keller ist seit 1984 Vorsitzender des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz. 1994 übernahm er darüber hinaus den Vorsitz des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Keller ist Inhaber der Mainzer Löwen- Apotheke am Dom, deren Existenz sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.

ApothekerPlus: Ist der Zug für Zielpreise mit der AOK abgefahren?

Keller: Wir hatten der AOK insgesamt angeboten, über Zielpreise zu diskutieren. Tatsächlich lassen sich Zielpreise bundesweit für das AOK-System jetzt nicht mehr realisieren. Allenfalls in einzelnen Regionen gibt es noch eine Chance mit dortigen AOKen zu einer Vereinbarung zu kommen; etwa in Rheinland Pfalz, Bayern oder Nordrhein-Westfalen.

ApothekerPlus: Sprechen Sie auch mit anderen Krankenkassen über Ihr Zielpreis-Konzept?

Keller: Ja. Jedoch haben die meisten Sortimentsverträge über längere Laufzeiten geschlossen. Beispielsweise enden die Sortimentsverträge der DAK erst Ende 2008. Damit ergibt sich frühestens 2009 die Gelegenheit für eine neue Vertragslage. Aber die Kassen zeigen zunehmend Interesse an unserem Zielpreismodell.

ApothekerPlus: Was heute Zielpreis heißt, hieß in ersten Entwürfen Vertragspreis und sah gewissermaßen eine Mischkalkulation vor, bei der der Apotheker Produkte sowohl unterhalb einer Preisgrenze, als auch darüber abgeben konnte, wenn ihm am Ende des Tages nur die Punktlandung im Budget gelingt. Was ist davon übrig geblieben?

Keller: Es ist richtig, die erste Modellversion sah eine durchschnittliche Preisgarantie der Apotheke für einen Wirkstoff vor. Durch Preissenkungen der Hersteller ist der Spielraum zwischen hoch- und niedrigpreisigen Produkten in den wichtigsten Wirkstoff-Märkten aber teilweise soweit geschrumpft, dass es kaum Kompensationsmöglichkeiten gibt. Deshalb haben wir schon bei unserem Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz vergangenes Jahr mit einem Ziel-Endpreis gearbeitet und es wurde nur aus den Angeboten ausgewählt, die innerhalb dieses Preiskorridors lagen.

ApothekerPlus: Was sind die wichtigsten Vorteile von Zielpreisen im betrieblichen Alltag?

Keller: Es bleibt bei der Verantwortung des Arztes, die richtige Therapie aufzuschreiben und es ist Sache des Apothekers, die richtigen Arzneimittel abzugeben. Der Patient wird mit großer Wahrscheinlichkeit immer das gleiche Arzneimittel erhalten können. Bei Zielpreisen ist das Abgabespektrum klar definiert. Wenn der Patient sagt, ich habe bisher immer Ramipril von Hersteller X gehabt und das liegt innerhalb der Zielpreisgruppe, dann bekommt er das wie immer, Umstellungen und Verunsicherung beim Patienten sind im Prinzip kein Thema mehr.

ApothekerPlus: Sie haben schon auf die Zielpreisvereinbarung in Rheinland-Pfalz 2007 hingewiesen. Was sind die wichtigsten Erfahrungen aus diesem Pilotprojekt?

Keller: Diese Vereinbarung wurde mit der KV und sämtlichen regionalen Kassen geschlossen und vom Ministerium für Familie und Gesundheit unterstützt. Wir haben lange mit den Kassen und den einzelnen Gesprächspartnern diskutiert und dann sechs verordnungsstarke Wirkstoffe ausgesucht. Das Interesse der Ärzte war schon deshalb groß, weil voriges Jahr noch die Bonus-Malus-Regel galt und durch die Zielpreisvereinbarung praktisch kein Verordnungsrisiko mehr bestand.

Was zunächst nicht so gut geklappt hat, war die Umsetzung der für die Steuerung von Zielpreisen nötigen Informationen in der Arzt- und Apotheken-Software. In der Konsequenz bedeutet das leider auch, dass wir das Pilotprojekt nicht umfassend analysieren und nicht ermitteln konnten, wie hoch die über Zielpreise erreichten Einsparungen eigentlich ausgefallen sind.

ApothekerPlus: Ist Rheinland-Pfalz beendet oder wird es dort eine Anschlussvereinbarung geben?

Keller: Wir befinden uns in Neuverhandlung mit Ministerium, KV und Kassen, wie es jetzt weitergehen soll.

ApothekerPlus: Welchen Stellenwert haben die Verordner innerhalb von Zielpreisvereinbarungen?

Keller: Zielpreise lassen sich vernünftigerweise nur in einem Vertrag zwischen allen drei Seiten, Ärzten, Apothekern und Krankenkassen, installieren. Die Ärzte müssen wissen, was in der Apotheke passiert. Ohne ihre Verpflichtung, Wirkstoffe zu verordnen, kann das Zielpreisverfahren nicht aufgehen.

ApothekerPlus: Sind denn Zielpreise hinsichtlich ihres Einsparpotenzials konkurrenzfähig mit Rabattverträgen? Von den Kassen, allen voran wieder der AOK, wird das ja gerne bezweifelt.

Keller: Man kann natürlich alles mögliche hochrechnen, um zu beeindruckenden Zahlen zu gelangen. Man darf nur nicht vergessen, dass für viele Rabatt-Produkte auch die Zuzahlung erlassen wird. Pro Packung müssen also schon mal mindestens fünf Euro über Herstellerrabatte aufgefangen werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass da noch viel Luft bleibt. Die AOK gibt an, durch Rabatte sowie durch Umstellung auf günstige Rabattprodukte 2007 knapp einhundert Millionen Euro an Arzneiausgaben gespart zu haben. Das könnten wir auch in Rheinland-Pfalz durch unsere Zielpreisvereinbarung erreichen.

ApothekerPlus: Nun müssen Zielpreise aber nicht nur mit Herstellerrabatten konkurrieren, sondern auch mit der Aut-idem-Substitution unter den günstigsten drei Anbietern, wie sie im Rahmenvertrag zwischen Kassen und Apothekerschaft festgelegt ist. Kann das gelingen?

Keller: Der Zielpreis, den die Apotheken für einen Wirkstoff garantieren, liegt immer etwas über den drei günstigsten Anbietern. Die Kasse hat aber eine verlässliche Kalkulationsbasis für ihre Ausgaben und sie muss sich um die Substitutionsquote, die ja vom Votum des Arztes abhängt, keine Sorgen machen.

ApothekerPlus: Welche längerfristigen Perspektiven sind im ZielpreisKonzept angelegt?

Keller: Natürlich sind Modifikationen denkbar. So ließen sich Zielpreise etwa auf ganze Arzneimittelkontingente ausdehnen, die dann auch ausgeschrieben werden könnten, wenn man beispielsweise den üblichen regionalen Bedarf an Herz-Kreislauf-Mitteln ermittelt. Das ist zwar Zukunftsmusik, aber unsere Strategie geht durchaus in diese Richtung, zusammen mit den Ärzten festzulegen, welche Therapeutika zum Einsatz kommen und welche nicht.

Zielpreise könnten den Einstieg in eine enge Kooperation zwischen Arzt, Apotheker und Kassen darstellen, innerhalb derer etwa über eine gemeinsame Arzneimittelkommission Regelungen festgelegt und Wirkstoffe ausgewählt werden. In der stationären Versorgung funktioniert das bereits.

ApothekerPlus: Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Apotheker einmal nennenswert die Arzneimittelversorgung über Zielpreise steuern?

Keller: Im Moment sind wir eher skeptisch, weil Geld den Markt regiert und die Kassen darauf aus sind, vor dem Start des Gesundheitsfonds noch mitzunehmen, was geht. In ein oder zwei Bundesländern werden wir vielleicht Zielpreise vereinbaren. Für die Zukunft, denke ich aber, stellt das Modell eine starke Option dar.

Wenn der KV-Vorsitzende und der Apothekerverbandsvorsitzende auch menschlich miteinander klar kommen, dann kann man viel bewegen. Das haben wir in Rheinland-Pfalz gezeigt.

Zur Person

Hermann Stefan Keller

ist seit 1984 Vorsitzender des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz. 1994 übernahm er darüber hinaus den Vorsitz des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Keller ist Inhaber der Mainzer Löwen- Apotheke am Dom, deren Existenz sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.

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