Ein Thema - Drei Meinungen

Impfstoffe nur aus einer Apotheken-Hand

In Sachsen-Anhalt startete im Sommer ein Modell zur zentralen Belieferung von Impfstoffen. Eine Apotheke in Magdeburg ist künftig für die Versorgung in dem Bundesland zuständig. Das Modell ist jedoch umstritten.

Von Stefan Holler Veröffentlicht:

Bei der Pressekonferenz des Landesapothekerverbandes Sachsen-Anhalts am 19. August in Magdeburg musste Boris Osmann draußen bleiben. Der Inhaber der Stern Apotheke in der Landeshauptstadt hatte nach einer europaweiten Ausschreibung der regionalen Kassenverbände den Zuschlag erhalten, die ortsansässigen Ärzte mit Grippevakzinen zu beliefern. Die Vertragsärzte sind nun verpflichtet, den Impfstoff nur in dieser Apotheke zu bestellen - andernfalls müssen sie mit Regressforderungen der Kassen rechnen. Die Krankenkassen erhoffen sich dadurch Einsparungen im siebenstelligen Bereich.

Vergeblich hatte sich der LAV mit rechtlichen Mitteln gegen ein derartiges "Einkaufskartell" gewehrt. Die übrigen Apotheken sollten weiterhin lieferberechtigt bleiben. Eine Beschwerde gegen die Ausschreibung wies das Landessozialgericht Essen ab. In einem gemeinsamen Info-Brief an Ärzte und Apotheker sprechen LAV und KV Sachsen-Anhalt bei der erstmals erfolgten Ausschreibung von "juristischem Neuland". Sowohl Gerichte als auch Aufsichtsbehörden würden sich mit der rechtlichen Bewertung schwer tun. "Solange die rechtlichen Fragen nicht abschließend geklärt sind, ist das Risiko jahrelanger Rechtsstreite bezüglich der Erstattung der Grippeimpfstoffe durch die Krankenkassen erheblich", schreiben LAV-Vorsitzender Mathias Arnold und KV-Chef Burkhard John.

Trotz anfänglicher Befürchtungen haben sich schwerwiegende Versorgungslücken mit Impfstoffen in dem Bundesland bisher noch nicht aufgetan. "Bedarfs- und fristgerechte Lieferungen sind mit der Stern Apotheke vereinbart. Wir gehen davon aus, dass es zu keinen Lieferengpässen kommt", gibt sich IKK-Vorstand Uwe Schröder optimistisch. Auch Apothekeninhaber Bernd Boris Osmann betonte gegenüber Pressevertretern, man liege "absolut im Zeitplan". Dennoch gibt es bereits Nachfragen von Arztpraxen, die von Osmann noch nicht mit Impfstoffen beliefert wurden.

Sachsen-Anhalt gilt als Testlauf für mögliche weitere zentrale Ausschreibungsverfahren in anderen Bundesländern. So hatte das Bundesgesundheitsministerium vergangenes Jahr ein "Gutachten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Impfstoffen in Deutschland" in Auftrag gegeben. In ihrem Abschlussbericht vom Juni 2010 kommt das beauftragte IGES-Institut zu dem Ergebnis, dass "über ein weniger fragmentiertes Beschaffungsmodell niedrigere Kosten zu Lasten der GKV für Impfstoffe entstehen würden."

Eine wirtschaftliche Gefährdung von Apotheken infolge der Konzentration der Impfstoffabgabe auf wenige Apotheken sei nicht zu erwarten. Auf Impfstoffe entfiele durchschnittlich nur ein geringer Anteil des Gesamtumsatzes der Apotheken.

Wie ein Arzt und zwei Apotheker die aktuelle Versorgungssituation mit Grippeimpfstoffen in Sachsen Anhalt beurteilen, lesen Sie im Fokus.

Lesen Sie dazu auch: Ein Thema - drei Meinungen: Der Apotheker - Matthias Arnold Ein Thema - drei Meinungen: Der Arzt - Dr. Gunther Gosch Ein Thema - drei Meinungen: Der Apotheker - Heinrich Osmann

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert