Plädoyer für Selbstbewusstsein

Apothekerinnen stehen heute viel mehr Türen offen als die der Offizin. Davon ist Prof. Karen Nieber, Vorsitzende des Deutschen Pharmazeutinnen Verbands überzeugt.

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Apotheker Plus: Frauen sind im Studium und in der Apotheke sehr stark vertreten. Wissenschaft und Forschung scheinen eher noch Männerdomäne zu sein. Warum?

Karen Nieber: Das kann man so nicht mehr sagen. Gegenwärtig haben wir 22 Institute in Deutschland, an denen Pharmazie unterrichtet wird. Dort sind über 40 Professorinnen und Dozentinnen tätig. Es gibt natürlich dabei auch noch Institute ganz ohne Professorinnen in der Lehre.

Doch prinzipiell kann man sagen, dass in Forschung und Lehre an den Universitäten Frauen inzwischen dominant sind. Das hat auch mit einem erstarkten Selbstbewusstsein zu tun, das meines Erachtens bei den Kolleginnen in der öffentlichen Apotheke noch nicht so stark ausgeprägt ist.

Apotheker Plus: Woran machen Sie das fest?

Nieber: Es müssen noch mehr Frauen den Mut haben, selbst eine Apotheke zu leiten. Wichtig ist auch, dass bei den vielen aktuellen Änderungen im Gesundheitswesen, mehr Apothekerinnen versuchen, Einfluss auf deren Umsetzung zu nehmen, etwa indem sie in der Berufspolitik aktiv werden.

Apotheker Plus: Braucht es Quoten, damit sich die Chancen für Apothekerinnen außerhalb der Offizin weiter verbessern?

Nieber: Von Quoten halte ich nichts. Ich halte etwas von Leistung und einer hoch qualifizierten Ausbildung. Dazu gehört auch eine ständige Weiterbildung bei neuen Arzneimitteln und Techniken. Was aber helfen würde, wäre mehr staatliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Immerhin bieten hier viele Pharmafirmen durch interne Kindergärten schon gute Strukturen.

Apotheker Plus: Bei Teilzeitarbeit führt dennoch der Weg überwiegend in die Apotheke. Ist das eine berufliche Einbahnstraße?

Nieber: Der Apothekerberuf in der Offizin ist ein Dienstleistungsberuf. Und personenbezogene Dienstleistungen gelten meist als teilzeitgeeignet und werden daher traditionell gern von Frauen genutzt - aber sie sind auch vergleichsweise schlecht bezahlt.

Das hält viele männliche Kollegen ab, als angestellte Apotheker zu arbeiten, obwohl der Apothekerberuf einer der wenigen naturwissenschaftlichen Professionen ist, die es relativ gut erlauben wohnortnah Familie und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Solange sich aber nichts daran ändert, dass nur Frauen dieses Vereinbarkeitsproblem haben, werden sich auch vor allem Frauen in diesem Beruf finden.

Apotheker Plus: Was möchten Sie in dieser Hinsicht als Verband der Pharmazeutinnen erreichen?

Nieber: Als wichtigste Aufgabe sehe ich an, Frauen in der Pharmazie zu ermutigen, Probleme hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie aktiv anzugehen und die Schwierigkeiten nicht einfach zu akzeptieren. Auch dazu ist es nötig, dass sie sich noch mehr in standespolitischen Gremien engagieren - und auch gerne im Deutschen Pharmazeutinnen Verband.

Unser Verband möchte zum Beispiel Apothekerinnen, die gerade am Anfang ihrer beruflichen Entwicklung stehen, aufzeigen, welche Berufschancen ihnen offenstehen - weit über die Offizin hinaus - und dass sie nicht allein sind mit ihren Problemen.

Dazu veranstalten wir unter anderem das jährliche internationale Pharmazeutinnentreffen. Im Aufbau befindet sich derzeit auch das Mentorinnenprogramm PharmaSisters. Gerne würden wir zudem die Kommunikation zwischen den verschiedenen Heilberuflerinnen verbessern.

Denn Ärztinnen und Pharmazeutinnen, denke ich, haben ähnliche Probleme. Da könnten ein Austausch von Erfahrungen und praktischen Ideen beiden Berufsgruppen vielleicht weiterhelfen.

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