Mit Sicherheit gesund

Wer auf betriebliches Gesundheitsmanagement setzt, tut damit nicht nur seinen Mitarbeitern etwas Gutes. Denn die Art der Tätigkeit und das Klima am Arbeitsplatz entscheiden über den Krankenstand in einem Betrieb - egal ob es sich um Großkonzerne, Apotheken oder Arztpraxen handelt.

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:
Bringt Entspannung im hektischen Arbeitsalltag: Yoga-Übungen statt Kaffee in der Pause.

Bringt Entspannung im hektischen Arbeitsalltag: Yoga-Übungen statt Kaffee in der Pause.

© Stephan Thomaier

Ein Fitnessraum, eine Kantine mit Diätküche, Betriebssportgruppen und betriebsinterne Schulungen zur Stressprävention und Rückengesundheit - große Unternehmen versuchen heute, sich mit derartigen Angeboten zum betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) im Wettbewerb um gute Mitarbeiter hervorzuheben. Kleinstbetriebe, zu denen auch die meisten Apotheken und Arztpraxen gehören, können da nicht mithalten.

"Das heißt aber noch lange nicht, dass dort kein betriebliches Gesundheitsmanagement möglich ist", so Dr. Constanze Schäfer von der Apothekerkammer Nordrhein, die regelmäßig Seminare zum BGM in Apotheken anbietet. "Es müssen sich nur statt einer organisierten Personalabteilung Chef und Mitarbeiter zusammensetzen, um praktikable Ideen zu entwickeln. Denn BGM ist Teamarbeit."

Tagtäglich mit Gesundheit befassen?

Der Grundgedanke des BGM beruht auf der Harmonisierung der Arbeitsschutzvorschriften durch die Europäische Union. Denn damit wurde vor nunmehr 15 Jahren auch der Arbeitsschutz in Deutschland auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Der Arbeitsschutzbegriff wurde deutlich weiter gefasst. Ziel ist seither ein umfassender Schutz der Gesundheit über die Vermeidung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren hinaus.

Aber brauchen Apotheken und Arztpraxen, in denen sich Chef und Mitarbeiter tagtäglich ohnehin mit Gesundheit befassen, dazu ein gesondertes betriebliches Gesundheitsmanagement?

Constanze Schäfer ist sich sicher: Die Belastungen - körperlich wie psychisch - haben in den vergangenen Jahren in diesen Berufen deutlich zugenommen. Die Gründe sind vielfältig. Häufig ist die Personaldecke dünn, die Arbeitsabläufe werden immer komplexer und erfordern viel Konzentration.

Gesundheitsförderung macht sich bezahlt

Zwar ist die Arbeit mit viel Bewegung verbunden (Bücken, Strecken, Stehen, Messungen vornehmen, Sitzen), doch diese werden oft nicht ergonomisch ausgeführt. Hinzu kommt, dass von professionellen Mitarbeitern erwartet wird, dass sie auch in schwierigen Situationen im Umgang mit Patienten stets ruhig und empathisch bleiben - auch das ist oft belastend.

Dass sich solche Belastungen auf die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern ungünstig auswirken, beziehungsweise umgekehrt Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sich langfristig bezahlt machen, wurde zumindest für große Firmen in Studien inzwischen belegt. Doch auch für Kleinbetriebe gilt: "Wer gute Mitarbeiter behalten und leistungsfähig halten möchte, muss auf ein entsprechend förderliches Arbeitsklima achten", so die Apothekerin.

Bestätigt wird die Auffassung Schäfers durch die jüngsten Daten des Fehlzeitenreports des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Danach haben nicht nur ausgeübter Beruf und Qualifikation Einfluss auf Krankenstand und Arbeitsunfähigkeit - wobei eine formal höhere Bildung (etwa bei PTA) wie ein Gesundheitsschutz wirkt.

Auch die Verhältnisse am Arbeitsplatz und das Führungsverhalten der Vorgesetzten bestimmen, wie häufig Arbeitnehmer fehlen: Mangel an Anerkennung und Partizipation, gar Rücksichtslosigkeit, Ungerechtigkeit und Unkollegialität - schlechte Chefs müssen damit rechnen, dass der Krankenstand ihrer Mitarbeiter um rund 20 Prozent höher ist als bei beliebten Vorgesetzten.

Häufig gewünscht: bessere Zusammenarbeit

Steuer-Tipp: 500 Euro pro Jahr für die Gesundheit

Mit dem Jahressteuergesetz 2009 (EStG §3, 34) hat die Bundesregierung die Möglichkeit geschaffen, betriebliche Gesundheitsförderung steuer- und abgabefrei anzubieten. Dies trifft auf zusätzliche Aufwendungen des Arbeitgebers (keine Umwandlung von Arbeitslohn!) zur Verbesserung des Allgemeinen Gesundheitszustandes und der Gesundheitsförderung im Betrieb zu, sofern nicht der Betrag von 500 Euro pro Mitarbeiter und Kalenderjahr überschritten wird.

Die Steuerbefreiung gilt sowohl für Sachleistungen als auch für Barzahlungen. Die Leistungen müssen allerdings den Anforderungen (Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit) des SGB V §§ 20 Abs.1, 20a Abs. 1 entsprechen. Dazu gehören zum Beispiel Kurse zum Rückentraining, zur gesunden Ernährung und Suchtprävention sowie Anti-Stress- und Raucherentwöhnungskurse.

Nicht von Steuer und Sozialabgaben befreit sind hingegen vom Arbeitgeber übernommene oder bezuschusste Mitgliedsbeiträge für Sportvereine und Fitness-Studios.

Eine Forsa Umfrage der DAK aus dem Jahr 2009 bei 1000 Angestellten und Arbeitern zeigte die konkreten Wünsche auf: Im Vordergrund stehen Optimierung der Arbeitsplatzgestaltung, Verbesserung der Führung und Zusammenarbeit, familienfreundliche Arbeitszeitregelung, arbeitsorganisatorische Verbesserungen.

Die meisten Befragten hielten dabei Angebote zum BGM für sinnvoll, um die Arbeitszufriedenheit zu steigern. Um auch in Apotheken das Interesse für betriebliches Gesundheitsmanagement zu wecken und um sie dann bei der Umsetzung zu unterstützen, hat Constanze Schäfer gemeinsam mit Mitarbeitern der Sozialforschungsstelle der Universität Duisburg das apothekenspezifische Modell des "Kümmerers" beziehungsweise "kollegialen Beraters" entwickelt.

Aus der ursprünglichen Hausarbeit im Rahmen eines Master of Health Administration-Aufbaustudiums (MHA) wurde ein bundesweit bislang einzigartiges Fortbildungsangebot zum BGM in Apotheken.

"Apothekenleiter müssen sich im Klaren sein, dass betriebliches Gesundheitsmanagement mehr ist, als die Einhaltung von Vorschriften zum Arbeitsschutz und zur Unfallverhütung. Die Fortbildung will daher konkrete Möglichkeiten aufzeigen, wie darüber hinaus eine Atmosphäre geschaffen werden kann, in der Angestellte gerne und sicher arbeiten", betont Constanze Schäfer im Gespräch mit ApothekerPlus.

Dazu werden zu verschiedenen Aspekten wie Herstellung & Prüfung, Dienstleistungen, Zeitmanagement, Kommunikation, räumliche Voraussetzungen, Gesunderhaltung der Mitarbeiter und Fort- und Weiterbildung Anhaltspunkte gegeben, wo über typische Abläufe nachgedacht werden sollte.

Apothekenabläufe im Blick, Kommunikation und gutes Zeitmanagement

Sinnvoll ist es, wenn dazu ein kollegialer Berater im Team benannt wird, der beständig einen "präventiven Blick" auf diese Apothekenabläufe hat. Er soll weder ausufernde Kontrollen vornehmen noch Aufgaben von Sicherheitsbeauftragten oder ein professionelles Coaching übernehmen. Stattdessen geht es mehr um die viel zitierten "Soft Skills".

So soll er Ansprechpartner sein, wenn es zum Beispiel zu stressigen Situationen durch eine schlechte Arbeitsaufteilung oder Kommunikation kommt, wenn es Probleme durch ungünstige Beleuchtung oder zu viel Hitze gibt oder wenn Schubladen so eingeräumt sind, dass sich die Mitarbeiter ständig bücken müssen, obwohl eine andere, sinnvollere Einordnung möglich wäre. Stressspitzen lassen sich vor allem durch ein gutes Zeitmanagement mindern.

Passend dazu berichtet die Goethe-Apotheke aus Wetter im Internet (www.good-practice.org) über ihre Erfahrung mit der Einführung einer Vertrauensarbeitszeit anstelle fester Arbeitszeiten. Fazit: Die selbst bestimmte Arbeitszeit allein durch Absprache unter Kollegen hat für einen hohen Motivationsschub gesorgt.

"Oft lässt sich ohne großen Aufwand schon durch eine strukturierte Informationsweitergabe zwischen Teilzeitkräften oder eine klare Arbeitsaufteilung zwischen Labor und Offizin oder eine vernünftige Pausenregelung eine Stressminderung erreichen", bestätigt Schäfer.

So habe sie mit einem Übergabebuch oder eine Übergabewand beste Erfahrungen gemacht, damit wichtige Mitteilungen alle Kollegen erreichen, auch die Teilzeitkräfte. Ritualisierte Abläufe durch farbige Zettel für unterschiedlich wichtige Mitteilungen und sich überlappende Arbeitszeiten seien ideal, um den Informationsaustausch zu optimieren.

"Wichtig sind auch regelmäßige Teamsitzungen und die Möglichkeit für Fortbildungen, um die Arbeitszufriedenheit zu fördern", betont die Apothekerin.

Schon kleine Maßnahmen sind gesundheitsfördernd

Mit Blick auf die körperliche Gesundheit empfiehlt sie außerdem, dass in Apotheken nicht nur Kunden professionell zum Thema Ernährung beraten werden sollten. Oft habe sie es erlebt, dass Kolleginnen im HV-Bereich stundenlang keine Gelegenheit hätten, etwas zu trinken.

"Das kann nicht gesund sein." Abhilfe würden schon kleine Maßnahmen wie ein Teller mit geschnittenem Obst statt der Keksdose und regelmäßige Trinkpausen schaffen. Ebenso wichtig: gute Sitzgelegenheiten. "Das ist nicht nur für den Rücken, sondern auch zur Entlastung der Beine wichtig.

Und wer sagt, dass jedes Beratungsgespräch im Stehen stattfinden muss?", regt Schäfer an. Apothekeninhaber könnten darüber hinaus überlegen, gelegentlich in einen Satz schicker Stützstrümpfe für alle Mitarbeiter zu investieren.

Dass sich auch Yoga-Übungen als Erholungsmöglichkeit für Körper und Geist durchaus mit den Arbeitsabläufen in einer Arztpraxis - und natürlich ebenso in denen einer Apotheke - verbinden lassen, zeigt zudem Theresia Wölker, Qualitätsmanagerin und Trainerin für Praxisteams, in ihrem Buch "Praxis-Yoga".

Statt sich mit einer Tasse Kaffee aufzumuntern, schlägt sie zusammen mit einer Yoga-Lehrerin passende Übungen vor, die je nach Bedarf dehnen, entspannen oder munter machen. Ein schöner Nebeneffekt: Yoga-Übungen verjüngen den gesamten Organismus ...

Wo gibt es mehr Informationen zum BGM?

Wer nach Beispielen und Anregungen zum Thema betriebliches Gesundheitsmanagement sucht, wird im Internet fündig, so unter:

www.bgw-online.de: Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege bietet zum Beispiel eine Broschüre zur Gefährdungsbeurteilung an mit vielen konkreten Tipps.

www.praevention.de: Das unabhängige Portal für Arbeits- und Gesundheitsschutz liefert viele gute Hintergrundinformationen.

www.kmu-vital.ch: Hier gibt es konkrete Anregungen zu Zeitmanagement, Ergonomie und Stressmanagement.

www.stressnostress.ch: Infos zu Stressprävention und Stressabbau in Unternehmen sind hier das Hauptthema.

www.gesundheit-unternehmen.de: Die Homepage bietet Anregungen, wie Kammern und Verbände aktiv werden können.

www.good-practice.org: Die Datenbank zeigt Beispiele von erfolgreich umgesetzten Arbeitsgestaltungsmaßnahmen anderer Unternehmen auch aus der Gesundheitsbranche. (run)

Lesen Sie dazu auch das Interview: Zum Gesundheitsmanagement gehört ein Wohlfühlfaktor

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