Prävention ist eine Teamleistung

Ein Präventionsgesetz wird es zwar so bald nicht geben. Dennoch ist das Thema in der täglichen Arbeit von Ärzten und Apothekern längst angekommen. Zunehmend gibt es gezielte Präventionsangebote - oft auch in Kooperation.

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:
Prävention findet tagtäglich in den meisten Apotheken statt - ob beim Blutdruckmessen, beim Erläutern von Blutzuckermessgeräten und Pens oder bei einer Ernährungsberatung. Strukturierte qualifizierte Aktionen sind jedoch noch eher selten.

Prävention findet tagtäglich in den meisten Apotheken statt - ob beim Blutdruckmessen, beim Erläutern von Blutzuckermessgeräten und Pens oder bei einer Ernährungsberatung. Strukturierte qualifizierte Aktionen sind jedoch noch eher selten.

© ABDA

Ende September hat Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) Forderungen nach einem Nationalen Präventionsgesetz, wie es auch Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen ist, erst einmal eine klare Absage erteilt.

Zwar erklärte er, in der zweiten Halbzeit der schwarz-gelben Koalition das Thema Prävention zu einem Schwerpunkt machen zu wollen mit dem Ziel, die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken. Für die Opposition war das aber nur ein Anlass, über die Tatenlosigkeit der Regierung zu wettern.

Während also auf politischer Ebene noch heftig debattiert wird, ist in Apotheken bereits einiges in Sachen Präventionsarbeit in Gang gekommen. Das zeigte sich zum Beispiel vergangene Woche deutlich bei der Verleihung des Präventionspreises "hauptsache gesund" durch das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen.

Impfberatung und Laufprogramm

"Die Bewerbungen spiegelten die ganze Bandbreite möglicher Präventionsleistungen wieder: von Schwangerschaftsberatung bis hin zur Beratung Hochbetagter, von Primär- bis Tertiärprävention, darunter viele Aktionen aus dem Apothekensektor", so die Sprecherin des WIPIG, Cynthia Milz.

"Das verdeutlicht einmal mehr, dass Apotheken ein idealer Ort für Präventionsangebote sind." Dieses Bewusstsein sei auch in den letzten Jahren stetig gewachsen. So haben inzwischen viele Apotheker die Weiterbildung Prävention und Gesundheitsförderung abgeschlossen.

100 haben sich zusätzlich durch zwei weitere Aufbaumodule zum Präventionsmanager WIPIG® qualifiziert. "In vielen Beratungsgesprächen schneidet man zwar schon Präventionsthemen an. Wer sich aber in diesem Bereich gezielt engagieren und eine qualifizierte Leistung anbieten möchte, der sollte sich entsprechend weiterbilden", rät Cynthia Milz.

Programm zur gesundheitsfördernden Bewegung

Wie eine qualifizierte Aktion dann aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Erftstadt. Mit dem Ziel, sowohl Gesunden als auch Menschen mit leichten Erkrankungen des Herzens, mit Diabetes, Hypertonie und Übergewicht, die Möglichkeit zu einer gesundheitsfördernden Bewegung zu ermöglichen, haben sich vor zwei Jahren Jutta Doebel, Inhaberin der Apotheke im Erftstadt Center, und der Internist und Sportmediziner Dr. Heinz-Albert Brüne zusammengetan und ein von Krankenkassen zertifiziertes Programm erarbeitet.

Mit Erfolg: Alle Kursteilnehmer, auch die die zu Beginn keine 200 Meter Laufstrecke schafften, konnten am Ende fünf Kilometer durchlaufen. Für ihr Projekt "Fit für fünf km" erhielten sie den ersten Preis in der Sonderkategorie Kooperation Arzt/Apotheker beim WIPIG-Präventionspreis.

Prävention ist eine Teamleistung

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Die derzeitige Diskussion über einen mangelhaften Masernschutz in Deutschland hat wiederum zu einer ganz anderen aktuellen Präventionsaktion geführt, die die Initiative Präventionspartner (www.praeventionspartner.de) ins Leben gerufen hat.

In einer Studie (NIZA3), die bundesweit derzeit in A-plus Apotheken durchgeführt wird, sprechen beteiligte Apotheker ihre Kunden nicht allein auf Grippeschutz, sondern gezielt nun auch auf ihren Masernschutz an. Die Studie, die seit Juli 2011 läuft, wurde dazu um einen Monat bis Anfang Dezember verlängert.

Impfziel: Masern bis 2015 eliminieren

In der Studie wird untersucht, ob PTA und Apotheker in Zusammenarbeit mit Ärzten helfen können, die Impfbereitschaft zu verbessern und dazu beitragen können, nationale Impfziele zu erreichen, also die Masern bis 2015 in Deutschland zu eliminieren.

Die teilnehmenden Apotheken dokumentieren daher ihre Beratungs- und Aufklärungsgespräche im Zusammenhang mit Impfungen. Dass die Aktivitäten der Apotheken bei der Bevölkerung auf positive Resonanz stoßen, zeigen erste Zwischenergebnisse. So fanden es fast alle Kunden (92,5 %) gut, in ihrer Apotheke über Impfungen informiert zu werden.

Wie in diesem Zusammenhang ein konzertiertes Arzt-Apotheken-Networking aussehen kann, haben darüber hinaus Gunter Nabel und sein Team aus der Widukind-Apotheke in Wolfsburg zusammen mit den Mitarbeitern zweier Impfpraxen dokumentiert.

Sie haben sich gemeinsam für ein Poster fotografieren lassen, das in Praxis und Apotheke hängt, auf dem sie sagen: Wir sind vollständig geimpft und schützen damit uns und andere.

Rund ein Drittel der Bevölkerung hat Interesse an Gesundheit und Gesunderhaltung

Solche Beispiele zeigen, wie sich einige Apotheken bereits aktiv im Bereich Prävention einbringen. Denn zunehmend steht in der Offizin nicht mehr allein der kranke Patient im Vordergrund, sondern auch der Kunde, der sich fit und gesund halten möchte.

Umfragen zufolge ist gut ein Drittel der Bevölkerung sehr stark am Thema Gesundheit und Gesunderhaltung interessiert. Und diese Kunden sind auch bereit, Zeit und Geld dafür zu investieren - eine Zielgruppe, die bisher allerdings in vielen Apotheken eher vernachlässigt wurde, wie Claudia Peuke in ihrem Buch "Prävention" schreibt.

Beratungs- und Serviceangebote in Apotheken

LeiKa: Standards für qualifizierte Angebote

Von Verbraucherseite sind zunehmend Angebote gefragt, die qualifizierten Service und pharmazeutische Kompetenzen vereinen und die die Arzneimittelversorgung sinnvoll ergänzen. Hier setzt der LeiKa - Leistungskatalog der Beratungs- und Serviceangebote an, den es seit zirka einem Jahr gibt.

Er beschreibt detailliert Leistungen, die über den gesetzlichen Versorgungsauftrag der Apotheken hinausgehen und deren Nutzen nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft anerkannt ist und verknüpft sie mit Qualitätsanforderungen.

Darüber hinaus gibt es auch Hilfen zur praktischen Umsetzung. Geistige Urheber waren die Pharmazeuten Mathias Arnold, Regine Borghoff und Gert Fiedler aus Sachsen-Anhalt. Die Loseblatt-Sammlung, die beständig erweitert und aktualisiert werden soll, ist über die Kammern oder die ABDA erhältlich.

www.abda.de/leika.html

Wer in diesem Markt punkten und als ernst zu nehmender Kooperationspartner etwa von Ärzten wahrgenommen werden möchte, muss aber auch auf eine entsprechende Qualität achten. Genau mit diesem Ziel, Qualitätsstandards auf der Basis wissenschaftlich anerkannter Leitlinien zu definieren, wurde auch der Leistungskatalog der Beratungs- und Serviceangebote in Apotheken, kurz LeiKa erarbeitet.

Die systematische Beschreibung möglicher Präventionsangebote wie Blutzucker- oder Peak-Flow-Messungen, die Anwendung von Inhalationssystemen oder eine Ernährungsberatung ermöglicht zudem eine vernünftige Preiskalkulation. "Wer eine qualifizierte Leistung anbietet, hat auch Anspruch auf eine Honorierung", so Matthias Arnold aus Halle, der den LeiKa mit entwickelt hat (siehe Interview).

Allerdings ist von Seiten der Krankenkassen eher keine Honorierung von Präventionsleistungen in der Apotheke zu erwarten. Prävention sei zwar ein Gebiet, bei dem das Engagement unterschiedlicher Akteure miteinander verzahnt werden müsse.

Leistungserbringer wie Ärzte und Apotheker seien dabei ein wichtiger Faktor - allerdings je nach Profession unterschiedlich zu bewerten, heißt es in einer Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes.

Infos über Prävention kommen oft nicht an

So spielten etwa Vertragsärzte eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Versicherte auf Präventionsmöglichkeiten und bedarfsgerechte Angebote hinzuweisen. In ärztlichen Beratungsgesprächen bestünden gute Möglichkeiten, Versicherte auf die verhaltenspräventiven Maßnahmen der Krankenkassen sowie andere gesundheitsförderliche Angebote hinzuweisen und zur Teilnahme zu motivieren.

Buchtipp: Beratungskonzepte für den Offizinalltag

Nicht auf die Nachfrage warten, sondern selbst aktiv werden. Das ist das Credo der Autorin Claudia Peuke in ihrem Buch "Prävention".

Die Apothekerin hat die darin enthaltenen Vorschläge zu verschiedenen Strategien der Prävention - unterteilt nach Erkrankungen, Lebensphasen oder Messwertaktionen - nach eigenem Bekunden in Gesprächen mit Kollegen, PTA und auch Ärzten gesammelt.

Deshalb plädiert sie auch für eine gezielte Zusammenarbeit mit Ärzten. Denn Kunden profitierten besonders, wenn beide Berufsgruppen in die gleiche Richtung beraten. Das Buch liefert wichtige Hintergrundinfos und Basiswissen ebenso wie konkrete Beispiele zur Planung und Durchführung. Apotheker erhalten so ein gutes Rüstzeug für fundierte Präventionsleistungen.

Prävention - Beratungskonzepte für die Apotheke, Claudia Peuke, Deutscher Apotheker Verlag 2011, ISBN 978-3-7692-5203-3, Preis 34,90 Euro

Für eine Stärkung von Vergütungsanreizen sieht der Spitzenverband keinen Anlass. Er verweist darauf, dass die Rahmenvorgaben Prävention es Ärzten allerdings gestatteten, selbst Präventionskurse als Kursleiter anzubieten.

Dies werde jedoch relativ wenig bis gar nicht genutzt. Explizit heißt es weiter: "Etwas kritischer sehen wir Krankenkassen die Situation von Apothekern. Auch hier gehört ein Aufklärungsgespräch über Prävention und bestimmte Angebote im Rahmen einer normalen Kundenberatung zum Service dazu.

Da Apotheker jedoch ein starkes wirtschaftliches Interesse haben, zum Beispiel bestimmte Ernährungsprodukte zu verkaufen, halten die Rahmenvorgaben Apotheker als Kursleiter für nicht geeignet." Davon unbenommen könnten aber einzelne Krankenkassen theoretisch in einzelnen Projekten natürlich mit Ärzten und/oder Apothekern zusammenarbeiten.

Die Diskussion um die Notwendigkeit einer angemessenen Vergütung für Präventionsleistungen überlagert allerdings leicht ein anderes, grundsätzliches Problem: Angebote zur Vorsorge kommen nicht bei allen Patienten gleichermaßen an.

Präventionsleistungen nehmen eher finanziell unabhänige Bürger in Anspruch

Untersuchungen belegen, dass eher gut ausgebildete, finanziell unabhängige Bürger Präventionsleistungen in Anspruch nehmen als Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Einkommen sowie Menschen mit Migrationshintergrund.

Dass in diesem Bereich noch Handlungsbedarf besteht, verdeutlicht auch eine Erhebung der Dualen Hochschule in Lörrach. Als Hauptgrund für die mangelnde Nutzung von Vorsorgeangeboten nannten dabei sowohl Patienten als auch Apotheker und Ärzte das mangelhafte Informationsangebot für Patienten.

Auf der anderen Seite nutzen der Studie zufolge Apotheken bisher kaum die Chance, Patienten für Vorsorgeangebote zu sensibilisieren. Verbesserungspotenzial bestehe auch in der Kooperation zwischen den Heilberufen. Nur etwa jede achte befragte Apotheke gab an, mit Ärzten auf dem Gebiet der Prävention zusammenzuarbeiten. Oft stehen dem allerdings Konkurrenzbefürchtungen im Weg.

Dem hält WIPIG-Geschäftsführer Dr. Helmut Schlager entgegen: "In vielen Bereichen wie Ernährung oder Compliance liegt noch so viel im Argen, dass es für Patienten immer nur von Vorteil ist, wenn hier alle Leistungserbringer mitwirken und am gleichen Strang ziehen."

Lesen Sie dazu auch das Interview: Präventionsleistungen selbstbewusst anbieten

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