EU verschärft Kampf gegen Arzneifälschungen

Zwei wichtige Gesetzgebungsinitiativen hat EU-Vizepräsident Günter Verheugen am Freitag beim Hauptstadtkongress angekündigt: mehr Informationsrechte für Patienten über rezeptpflichtige Arzneimittel und scharfe Maßnahmen gegen Arzneimittel-Fälschungen.

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Neue Gesetzesinitiativen zum Schutz gegen Arzneifälschungen und für bessere Verbraucherinformation kündigte EU-Vizepräsident Verheugen in Berlin an.

Neue Gesetzesinitiativen zum Schutz gegen Arzneifälschungen und für bessere Verbraucherinformation kündigte EU-Vizepräsident Verheugen in Berlin an.

© Foto: KS

Im Oktober werde die EU-Kommission dazu entsprechende Rechtsverordnungen vorlegen. Die lange geltende Hypothese, die Europäische Union sei allenfalls ein Durchgangsland für Arzneimittelfälschungen, habe sich als falsch erwiesen. Das Ausmaß der organisierten Kriminalität habe sich zu einer ernsthaften Bedrohung entwickelt, sagte Verheugen. Besonders betroffen seien Lifestyle-Arzneimittel sowie teure Original-Medikamente. Die Menge der von den Zollbehörden an der EU-Außengrenze beschlagnahmten Fälschungen sei zwischen 2005 und 2006 um 380 Prozent gestiegen.

Verheugen: Versandhandel ist nicht das Problem

Verheugen kündigte ein scharfes Reglement gegen diese Kriminalität an. So soll der Weg eines Arzneimittels vom Hersteller zum Endverbraucher künftig dokumentiert und damit nachvollziehbar werden.

Eine Analyse der gegenwärtig üblichen Vertriebsstufen für Arzneimittel habe ergeben, dass diese lang und kompliziert seien. Sie seien wirtschaftlich ineffizient und anfällig für Fälschungen. Neu eingeführt wird ein Verbot, an der Verpackung von Arzneimitteln zu manipulieren. Dies ist jedoch regelmäßig der Fall, wenn Arzneimittel re- oder parallelimportiert werden. Das geschieht dann, wenn beispielsweise ein Importeur Originalarzneimittel in Griechenland für den dort bestimmten Markt kauft, nach Deutschland importiert und mit einem neuen (deutschen) Beipackzettel und einer neuen oder neu beschrifteten Verpackung versieht.

Mit dem Verbot solcher Manipulationen werden Parallelimporte praktisch unmöglich gemacht.

Verheugen rechnet deshalb mit hartem Widerstand der in ganz Europa agierenden Branche. "Ich bin in einer Position, in der mich keine Lobby mehr unter Druck setzen kann", sagte Verheugen, dessen Amtszeit ausläuft.

Den legalen Versandhandel in der EU sieht die Kommission nicht als Ursache der Fälschungen. Hier seien keine Gesetzesänderungen geplant, sagte Verheugen der "Ärzte Zeitung". Solche Forderungen kommen von deutschen Apothekerverbänden, die seit Monaten eine Fälscher-Kampagne gegen den Versandhandel betreiben.

Als überaus schwierig und umstritten gilt das Vorhaben der EU-Kommission, die Informationsrechte von Patienten über rezeptpflichtige Arzneimittel zu verbessern. Dabei geht es primär um den Zugang zu Informationen von Arzneimittelherstellern.

Keine Werbung für Rx-Arznei direkt beim Patienten

Gehe man vom Bild des mündigen Bürgers und des mündigen Patienten aus, dann sei der gegenwärtige Zustand "unerträglich", so Verheugen. Die EU-Kommission wolle keine direkte Werbung beim Patienten für rezeptpflichtige Arzneimittel. Eine präzise Abgrenzung zwischen Werbung und Information sei aber "unendlich schwierig", sodass es heute noch nicht möglich sei, dafür eine konkrete Lösung zu benennen. Es sei jedoch nicht zu rechtfertigen, dass Patienten mit Internet-Anschluss und Englischkenntnissen alle weitweit im Internet verfügbaren Informationen nutzen könnten, alle anderen aber davon ausgeschlossen seien.

Diskutiert werde gegenwärtig über zwei Varianten: eine mögliche Mehrheit plädiert dafür, nur eine behördlich autorisierte Information auf gezielte Anfrage zugänglich zu machen; hingegen scheint die liberalere Position in der Minderheit zu sein. (HL)

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