Kommen bald die "Pflege-Inder"?

Vor zehn Jahren wurde versucht, den Fachkräftemangel im IT-Bereich mit indischen Spezialisten zu beheben. Nun sind hierzulande die Pflegekräfte knapp – und der Blick geht wieder nach Indien. Kommen nach den „Computer-Indern“ bald die „Pflege-Inder“? Doch auch junge Menschen mit Migrationshintergrund rücken in den Fokus.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die türkische Pflegerin Zeliha Onurlu prüft in Hannover den Blutdruck eines Patienten.

Die türkische Pflegerin Zeliha Onurlu prüft in Hannover den Blutdruck eines Patienten.

© dpa

BERLIN. Die Pflegebranche hat ein Auge auf junge Menschen mit Migrationshintergrund geworfen. Hier sieht sie noch ein Reservoir, um Nachwuchs für die Pflegeberufe zu werben. Und der Blick geht darüber hinaus. Warum nicht Pflegekräfte aus Indien einsetzen?

Wer Ulrich Söding vom Berliner Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen beim Kongress "Pflege 2012" zuhörte, bekam eine Ahnung davon, wie schwer sich die Aufgabe gestaltet.

Die Zahlen aus der Hauptstadt und ihren so genannten Problemkiezen dürften sicherlich nicht für alle Regionen des Landes, wohl aber für die Ballungszentren typisch sein. Mehr als jeder vierte Berliner hat einen Migrationshintergrund. Tendenz steigend. In der Gruppe der Sechs- bis 15-Jährigen liegt der Anteil bei 42 Prozent.

Gezielt Menschen mit Migrationshintergrund auf eine Ausbildung ansprechen

Auf ganz Berlin bezogen gibt es knapp 30 Prozent der Jugendliche, die kaum oder schlechte Chancen auf dem Ausbildungsmarkt haben. Viele davon haben gar keinen Schulabschluss in der Tasche. Zwei Drittel dieser Gruppe hat einen Migrationshintergrund.

Als Södings Institut vor fünf Jahren begann, gezielt Menschen mit Migrationshintergrund auf eine Ausbildung anzusprechen, waren sieben bis acht Prozent der Schülerinnen und Schüler in den Berliner Pflegeschulen nicht deutscher Herkunft. Aktuell sind es etwa 15 Prozent, berichtet Söding.

Die menschliche und schulische Vorbildung der Bewerbergruppe ist nach Auskunft von Söding nicht immer für den Beruf geeignet. Die enge Zusammenarbeit der Pflegeschulen mit Migrantenorganisationen helfe, sprachliche Defizite auszugleichen und soziale Kompetenzen auch bei denjenigen aufzubauen, die nicht im hiesigen Gesundheitswesen groß geworden seien.

Immerhin: 60 Pflegekräfte nichtdeutscher Herkunft haben die Berliner bislang qualifiziert, 17 davon für die dreijährige Ausbildung.

Indien im Fokus

Der Fachkräftemangel aufgrund der Alterung der Gesellschaften in den Industrieländern und der daraus resultierenden Multimorbidität ihrer Bewohner lässt die Personalmanager über die Grenzen hinaus schauen, zum Beispiel nach Indien.. Der Pflegenotstand sei in den meisten OECD-Staaten groß, heißt es in der Projektskizze einer Doktorarbeit, die das Berliner Institut für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IEGUS) fördert.

Die osteuropäischen Staaten, die von Politikern, Pflegemanagern und Privatleuten gerne als Reservoir für willige und billige Pflegekräfte angesehen werden, benötigen ihre Pflegekräfte längst selbst für die Versorgung der eigenen Bevölkerung. Zudem bezahlten die anderen Länder Zuwanderer besser.

Die Idee ist nun, perspektivisch über den Aufbau einer Ausbildungs- und Entwicklungspartnerschaft Pflegekräfte aus Indien nach Deutschland zu holen. Derzeit gebe es in Indien noch keinen Altenpflegesektor und einen Mangel an geriatrischer Versorgung, heißt es in dem IEGUS-Arbeitspapier, das der "Ärzte Zeitung" vorliegt.

Eine Ausbildung indischer Bewerber in Deutschland könne deshalb auch positive Rückwirkungen auf die Versorgungssituation auf den auch dort gleichwohl wachsenden Pflegemarkt haben. Deutschland erhalte Arbeitskräfte, Indien altenpflegerisches und geriatrisches Wissen, heißt es in der Arbeit.

Der Vorschlag von IEGUS enthält auch einen interessanten finanziellen Aspekt: Nur 10.000 Euro würde eine Ausbildung auf deutschem Niveau in Indien kosten, heißt es.

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