Zentrale Telefon-Hotline

"Infonetz Krebs" baut Brücken zu Krebskranken

Wie lässt sich der hohe Informationsbedarf von Krebspatienten angemessen erfüllen? Evidenzbasierte Information ist der Eckpfeiler. Aber wer nur Metaanalysen rezitieren kann, informiert am Bedarf vorbei.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Um das enorme Informationsbedürfnis von Krebspatienten besser ausfüllen zu können, haben Krebshilfe und Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) im Jahr 2014 das "Infonetz Krebs" gestartet.

Um das enorme Informationsbedürfnis von Krebspatienten besser ausfüllen zu können, haben Krebshilfe und Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) im Jahr 2014 das "Infonetz Krebs" gestartet.

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BERLIN. Wer mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wird, braucht Informationen, das ist klar. Nur: Einfach ist das nicht. "Krebspatienten wollen evidenzbasierte Informationen zu ihrer Erkrankung. Sie wollen Informationen zu Therapiealternativen und aktuellen Verfahren. Sie wollen Zweitmeinungen sowie Antworten auf Zweifelsfragen und Verstehensfragen", fasste Dr. Johanna Merkel von der Deutschen Krebshilfe den Wissensdurst der Patienten grob zusammen.

Um das enorme Informationsbedürfnis von Krebspatienten besser ausfüllen zu können, haben Krebshilfe und Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) im Jahr 2014 das "Infonetz Krebs" gestartet, eine zentrale Telefon-Hotline, die Krebspatienten zu möglichst vielen Fragen möglichst gut berät. Die Krebshilfe leistet dabei die telefonische Beratung. Die DKG wiederum kümmert sich um das Wissen, auf das die Berater zurückgreifen, konkret um eine große Wissensdatenbank, die 2013 angelegt und seither kontinuierlich ausgebaut wurde.

40 Tumorthemen im System

"Wir haben mittlerweile an die 40 Tumorthemen im System. Das wurde relativ schnell aufgebaut, damit die Berater am Telefon zu möglichst vielen Themen etwas sagen können", sagte Marie-Jolin Köster, die für die DKG das Datenbankprojekt mitbetreut. Der Schwerpunkt liegt dabei auf medizinischem Faktenwissen. Aber auch Informationen zu sozialrechtlichen Fragestellungen sowie ein großer Katalog an Adressen und Ansprechpartnern ist Teil der Datenbank, die im Moment jährlich, in Zukunft halbjährlich aktualisiert wird.

Evidenzbasierte Informationen zu Antitumortherapien sind ein wesentlicher Teil der Wissensbasis. Entsprechend eng kooperieren die Datenbankarchitekten der DKG mit dem Leitlinienprogramm Onkologie. Das Problem: Längst nicht allen Anrufern geht es darum, sich nur über den aktuellen Therapiestandard zu informieren. "Viele Fragen können nicht evidenzbasiert beantwortet werden, sodass sich für uns die Frage stellt, wie wir mit diesen Lücken umgehen sollen", betonte Merkel beim Deutschen Krebskongress in Berlin.

Ein Klassiker aus dem vergangenen Jahr, an dem sich dieses Dilemma aller Krebsinformation illustrieren lässt, war die stark durch Medienberichte angeheizte Diskussion um den Einsatz von Methadon als Begleitung einer Chemotherapie. "Wir haben in diesem Zusammenhang unsere Suchstrategien umstellen müssen", berichtete Köster. "Wenn wir nur systematische Reviews und randomisierte Studien genutzt hätten, hätten die Berater am Telefon nur sagen können, dass es nichts gibt."

Nicht nur evidenzbasierte Infos

Manchem Anrufer mag das gereicht haben. Aber andere wollten trotzdem ganz konkret wissen, wo sie Methadon herbekommen oder wer es zum Beispiel in Studien einsetzt. Das kann ein Berater am Telefon nicht einfach ignorieren. "Wenn der Patient anruft, braucht der Patient eine Antwort", so Köster. Daher wird die Wissensdatenbank des "Infonetz Krebs" zunehmend ergänzt um Verfahren mit bislang nicht bewiesener Wirkung – nicht um sie anzupreisen, sondern um dem telefonischen Berater überhaupt erst einmal eine Möglichkeit zu geben, irgendetwas zu sagen.

"Die nicht evidenzbasierten Informationen in unserer Wissensdatenbank sind ganz klar als solche gekennzeichnet", betonte Köster. Sie seien eine der Strategien, mit denen das "Infonetz Krebs" stabilere Brücken zum Patienten bauen möchte. Eine weitere Brücke ist das Backoffice des "Infonetz", das selbstständig Recherchen zu bestimmten Themen erstellt, bei denen ein hoher Informationsbedarf besteht.

Sowohl Ärzte als auch Patientenvertreter können beim Backoffice des "Infonetz" gezielt Recherchen zu Themen nachfragen, bei denen sie den Eindruck haben, dass bei Patienten ein hoher Informationsbedarf besteht. Auch auf diese Weise soll das Beratungsspektrum stärker mit den Bedürfnissen der Anrufer zur Deckung gebracht werden. "Insgesamt decken wir mit unseren Angeboten schon jetzt einen großen Teil des krebsbezogenen Beratungsbedarfs in Deutschland ab", betonte Krebshilfe-Vorsitzender Gerd Nettekoven. "Es gibt aber Lücken, und die wollen wir füllen."

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