Gehortete Analgetika

Der Patient, ein Opioid-Sammler

Viele Menschen geben gerne mal ein Schmerzmittel an Freunde oder Familie weiter. Das kann gefährlich sein, die Missbrauchsgefahr ist groß, vor allem bei verschreibungspflichtigen Mitteln wie Opioiden.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Im Medikamentenschrank wird so einiges aufbewahrt und weitergegeben. Bei verschreibungspflichtigen Arzneien kann das gefährlich werden.

Im Medikamentenschrank wird so einiges aufbewahrt und weitergegeben. Bei verschreibungspflichtigen Arzneien kann das gefährlich werden.

© Arcurs / Panthermedia

STANFORD. Viele verschriebenen Medikamente werden nicht genommen, in den USA sind es nach einer Schätzung der National Community Pharmacists Association 40 Prozent. Was machen die Menschen mit dem Überschuss?

Die Frage ist wichtig. Denn die Gefahr von Missbrauch ist da, vor allem bei verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln wie den Opioiden, die in den USA die am häufigsten missbräuchlich verwendete Substanzklasse darstellen.

Werden die übrig gebliebenen Medikamente sicher verwahrt oder weggeworfen? Wohl kaum, vermuten Wissenschaftler um Dr. Elenor Lewis von der Stanford University School of Medicine in Kalifornien (Clin J Pain 2014; 30: 654). Denn gerade Schmerzmittel werden schnell mal an andere weitergegeben.

Deshalb stellten sie für ihre Analyse 191 Veteranen, denen in den zwölf zurückliegenden Monaten Opioide verschrieben worden waren, Fragen wie: Was haben Sie mit übrig gebliebenen Mitteln gemacht? Haben Sie schon mal von einer nicht legalen Quelle Opioide bezogen? Haben Sie mal Opioide genommen, die eigentlich jemand anderem verschrieben wurden?

Analgetika werden weitergegeben

Die Zahlen sprechen für sich: Fast zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) bewahrten ihre Medikamente auf, auch wenn sie diese gerade nicht mehr gegen ihre Schmerzen benötigten; nur 30 Prozent nahmen alle verordneten Mittel oder gaben sofort Rückmeldung, dass sie keine weiteren Schmerzmittel benötigten.

Warum aber horten Menschen ihre Medikamente? Die Beweggründe sind von unterschiedlicher Natur: Fast die Hälfte der Befragten (44 Prozent) gab an, dass sie die Schmerzmittel aufbewahren würden, damit sie "für den Fall der Fälle etwas da hätten", bei manch anderem sammelten sich die Medikamente einfach aus Unachtsamkeit an.

Doch bei immerhin 34 Prozent der Befragten gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sie die Medikamente an andere Personen, oft an Familienmitglieder, weitergaben oder, vorher von jemand anderem Opioide erstanden hatten, ehe sie selbst regulär Schmerzmittel verschrieben bekamen.

Sicherlich hat diese Studie Limitationen. Etwa hatten viele der Veteranen (71 Prozent) mindestens eine psychische Erkrankung, eine solche Diagnose wiederum ist als Risikofaktor für bedenklichen Opioidgebrauch bekannt.

Eine psychische Erkrankung war in dieser Analyse allerdings nicht mit einer vermehrten Anhäufung oder Verteilung von Schmerzmitteln assoziiert. Auch die kleine Stichprobe und die retrospektive Datenerhebung durch Selbstauskunft sind in diesem Zusammenhang zu nennen.

Lebenszyklus eines Rezepts

Trotzdem geben diese Ergebnisse zu denken, auch im Hinblick auf die weitere Literatur. Die Verschreibung von Medikamenten ist eine der wichtigsten Opioid-Beschaffungsquellen für Süchtige. Diese Beschaffungsquelle gilt es einzuschränken.

Das ist durchaus eine Herausforderung, bemerken Lewis und ihr Team, denn einerseits müsse man die Menge an Opioiden, die möglicherweise verteilt werde, reduzieren; andererseits dürfe man die Schmerzen der Patienten nicht unzureichend lindern.

Ihrer Ansicht nach müssen Ärzte individuell auf ihre Patienten eingehen, um deren Verständnis und Verhalten im Umgang mit Schmerzmitteln verbessern zu können.

Auch nicht medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten sollten aufgezeigt werden. Die Risiken eines Missbrauches - auch für die anderen Menschen, an die man Medikamente weitergebe - müssten verdeutlicht werden, betonen die Autoren.

Der Lebenszyklus eines Rezeptes beginne beim Verschreiber und nur mit dem Bewusstsein darüber ließe sich die für einen potenziellen Missbrauch im Umlauf befindliche Menge an Opioiden verringern, so das Fazit der Autoren.

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