Infektion verhindern

HIV-Prophylaxe erfolgreich

Rechtzeitig verabreicht, lässt sich mit modernen Arzneien postexpositionell eine HIV-Infektion verhindern, in bestimmten Fällen auch präexpositionell.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

Die neuen Möglichkeiten der medikamentösen Intervention gegen den Aids-Erreger HIV haben auch Einfluss auf die postexpositionelle Prophylaxe (PEP) und eröffnen sogar die Option, bereits präexpositionell vorzugehen.

Für Personen, die sich etwa nach einem Nadelstich möglicherweise mit HIV infiziert haben, empfiehlt die aktuelle, bis 2017 gültige Deutsch-Österreichische Leitlinie zur Postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion, die medikamentöse Prophylaxe vorzunehmen, wenn es Kontakte mit erhöhtem Infektionsrisiko gegeben hat.

PEP bei Kontakt mit Risikomaterial

Als solche gelten die perkutane Stichverletzung mit Injektionsnadel oder einer anderen Hohlraumnadel sowie eine Schnittverletzung unter Beteiligung von Körperflüssigkeiten mit potentiell hoher HIV-Konzentration, wie es in der Leitlinie heißt.

Die PEP könne angeboten werden, wenn ein Schleimhautkontakt oder Kontakt mit nicht-intakter Haut - zum Beispiel bei einem Hautekzem oder einer frischen Wunde -, mit Flüssigkeiten von hoher Viruskonzentration oder bei sichtbaren Verletzungen, etwa mit einer blutig-tingierten chirurgischen Nadel vorliegt.

Bei perkutanem Kontakt mit anderen Körperflüssigkeiten als Blut (etwa Urin oder Speichel), bei Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonzentration) sowie bei Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und Speichel ist eine PEP nicht indiziert.

Eine postexpositionelle Prophylaxe sollte so früh wie möglich begonnen werden, am besten innerhalb von zwei Stunden oder wenigstens nach 24 Stunden, und über 28 bis 30 Tage vorgenommen werden. Als Beispiel für eine medikamentöse Prophylaxe wird in der Leitlinie die zweimal täglich einzunehmende Kombination des Integrase-Hemmers Raltegravir mit der Fixkombination Emtricitabin plus Tenofovir genannt.

Primäre Alternative zu Raltegravir sei der Protease-Hemmer Lopinavir, zur Fixkombination ein Präparat mit Zidovudin plus Epivir. Von Abacavir und Nevirapin für eine PEP wird allerdings abgeraten.

Spätestens seit den entsprechenden WHO-Empfehlungen im Herbst 2015 ist auch die präexpositionelle HIV-Prophylaxe (PrEP) zum Thema geworden.

Der vorläufigen Leitlinie zufolge wird eine tägliche orale Prophylaxe als Teil einer Kombinationtherapie generell HIV-negativen Personen mit sehr hohem Infektionsrisiko empfohlen, ohne sich auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, etwa Männer, die Sex mit Männern haben, zu beschränken.

PrEP mit Tenofovir wirksam

Die Empfehlung stützt sich auf Studienergebnisse, denen zufolge die antiretrovirale Behandlung mit Tenofovir zur PrEP wirksam vor einer HIV-Infektion schützt.

 Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko anstecken, wird bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme um 92 Prozent reduziert. Studien bestätigten, dass durch eine solche Prophylaxe der Gebrauch von Kondomen nicht geringer wird. Zu betonen ist, dass die HIV-PrEP nur als zusätzliche Option zu anderen Maßnahmen, sich vor einer Infektion zu schützen - also safer sex -, betrachtet wird.

In Deutschland ist - anders als etwa in den USA und Frankreich - Tenofovir derzeit nicht zur HIV-PrEP zugelassen, sondern nur zur Therapie bei HIV-Infizierten. Wo es zur PrEP zugelassen ist, ist die Substanz Teil eines Kombinationspräparates mit Emtricitabin.

Die europäische Zulassung der Fixkombination Tenofovirdisoproxil plus Emtricitabin zur PrEP wird derzeit von der European Medicines Agency (EMA) geprüft, und zwar auf der Grundlage der Ergebnisse der beiden Studien "Pre-Exposure Prophylaxis Initiative" (iPrEX) und "Partners PrEP".

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