Im Mittel eine neue Infektionskrankheit pro Jahr

HAMBURG (dpa). Vogelgrippe und Sars, Aids und BSE - die meisten neuen gefährlichen Erreger stammen aus dem Tierreich. Und die Tendenz ist steigend, wie Dr. Klaus Stöhr von der WHO gesagt hat. Ein Grund sei der weltweite Wandel bei den Lebensbedingungen, Transportmitteln und in der Tierhaltung.

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Im Schnitt komme pro Jahr eine neue Infektionskrankheit hinzu, so der Infektionsbiologe Professor Jörg Hacker von der Universität Würzburg. Daß neue Keime verschiedener Herkunft entdeckt werden, liege unter anderem an der verbesserten Diagnostik, vor allem per Gentechnik.

Hacker verweist jedoch auch auf das Bevölkerungswachstum. "Die Menschen rücken immer dichter zusammen." Die Massen von Blechhütten ohne Kanalisation in Städten wie Bombay unterstützen die Verbreitung von Krankheiten. Die Riesenfarmen und Schlachthallen in Südostasien fördern Geflügelkrankheiten.

Besonders beim engen Kontakt von Mensch und Tier müßten, so Hacker, bestimmte Hygieneregeln eingehalten werden. Solche Traditionen aus Gesellschaft und Religion würden aber teils vergessen, teils nicht mehr gelebt. Früher seien etwa in Afrika Wildtiere nur bei Ritualen getötet und gegessen worden, sagte Hacker. "Es scheint so, daß Ebola und Aids durch das Jagen von Wildtieren zum Menschen kamen."

Der Leiter des Berliner Robert Koch-Instituts, Professor Reinhard Kurth, sieht auch darin einen Grund für den Ausbruch neuer Krankheiten: "Mittlerweile ist der Mensch in so ziemlich jeden Winkel der Erde vorgedrungen." Er sei daher mit fast allen Tieren und Pflanzen in Kontakt gekommen und so auch mit neuen Erregern.

"Die Affenpocken zum Beispiel traten in Zentralafrika praktisch nur dort auf, wo umfangreiche Waldrodungen vorgenommen worden waren." Den ersten Ausbruch außerhalb Afrikas gab es 2003 in den USA, weil dort Präriehunde, die den Affenpocken-Erreger übertragen, als Haustiere gehalten wurden.

Menschen unterstützen die Verbreitung der Erreger zuweilen tatkräftig. "Schon Cholera, Pest und Pocken breiteten sich früher entlang der Handelsstraßen aus", sagte der Direktor des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, Professor Bernhard Fleischer. "Heute geht alles viel schneller." Das Aids-Virus sei wahrscheinlich schon viele Jahrzehnte in Afrika gewesen, so Fleischer.

Isolierte Ausbrüche gab es vermutlich immer wieder, erst mit Reisenden jedoch gelangte HIV rund um den Globus. Anderen Erregern bietet erst die Technik optimale Lebensbedingungen. So können sich Legionellen hervorragend in Warmwasser- und Klimaanlagen ausbreiten. Der Rinderwahnsinn BSE entstand nach derzeitigem Wissen, weil Rinder zu Tiermehl verarbeitete Schafe fressen mußten.

Doch es gibt auch Positives: Vor allem dank besserer Hygiene und Ernährung hat sich die Lebenserwartung der Menschen im 20. Jahrhundert weltweit von 35 auf 66 Jahre fast verdoppelt. Und: Durch Impfstoffe wurden die Pocken ausgerottet, Polio und Masern zurückgedrängt.

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