Welchem Krebskranken mit Dialyse nützt eine neue Niere?

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:

Kardiovaskuläre Erkrankungen machen etwa 46 Prozent der Todesursachen bei Dialysepatienten aus und sind der wichtigste Risikofaktor für sie. Aber auch die Inzidenz für Malignome ist erhöht, und zwar sowohl während der Dialyse als auch nach Organübertragung. Drei Jahre nach einer Nierentransplantation haben den Daten aus großen US-Registern zu Folge 7,4 Prozent der Behandelten einen Hauttumor. 20 Jahre nach Organübertragung liegt die Rate der Malignome bei Nierenempfängern insgesamt bei 40 Prozent.

Die Kurzzeitergebnisse nach Nierentransplantation haben sich hingegen in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert: Auf 10 bis 20 Prozent läßt sich die Rate der Akutabstoßungen innerhalb eines Jahres nach der Operation vermindern, wenn die gesamte Bandbreite der verfügbaren Immunsuppressiva genutzt und den individuellen Risiken des Patienten angepaßt wird.

Malignom-Patienten erhalten selten eine neue Niere

Ob ein Dialyse-Patient mit einem Malignom in der Anamnese von einer fremden Niere profitieren wird, muß deshalb auf Basis aktueller Zahlen immer wieder neu diskutiert werden. Aus Deutschland gibt es dazu keine validen Daten. Dennoch: Die Ärzte seien hier möglicherweise zu zurückhaltend, solche Patienten für eine Transplantation anzumelden, so der Tenor bei einem Symposium während der Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesellschaft in Kiel.

"Ein langsam wachsendes Karzinom schadet dem Dialyse-Patienten auf längere Sicht wahrscheinlich weniger als die künstliche Blutwäsche", sagte Professor Uwe Heemann aus München. Der Leiter der Abteilung für Nephrologie am Klinikum rechts der Isar appellierte an seine Kollegen, bei Dialyse-Patienten, die wegen eines Tumors behandelt wurden, mit der Anmeldung zur Nierentransplantation nicht zu zögerlich zu sein. Wenn das erste halbe Jahr nach Nierentransplantation überstanden ist, gewinnen auch ältere Patienten im statistischen Mittel Lebensjahre hinzu im Vergleich zu Kranken, die an der Dialyse bleiben.

Tumorart beeinflußt, ob eine Transplantation ratsam ist

Natürlich müsse eine Entscheidung für oder gegen die Transplantation immer individuell unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands sowie von Art und Stadium des Tumors getroffen werden. Heemann gab ein Beispiel: Ein 70jähriger Dialyse-Patient ist wegen eines kolorektalen Karzinoms behandelt worden. Seit einem Jahr hat er keine Symptome und keine nachweisbaren Metastasen. Aber es gibt Probleme mit dem Shunt, und der Patient leidet dialysebedingt unter Blutdruckschwankungen. Diesem Patienten würde er ein Spenderorgan verpflanzen, so Heemann. Der Kranke habe ein höheres Risiko, an Herzinfarkt oder Schlaganfall als Folge der Dialyse zu sterben als an einem Tumorrezidiv.

Bei einem Patienten mit Nierenzellkarzinom, welches komplett reseziert worden sei, müsse man mit der Nierentransplantation unter Umständen gar nicht warten, so Heemann bei der von dem Unternehmen HEXAL unterstützten Veranstaltung. Auch ein 70jähriger, dialysepflichtiger Mann, bei dem ein Prostatakarzinom festgestellt werde, profitiere vermutlich noch von einer Transplantation, und zwar selbst dann, wenn das Malignom nicht operiert werde.

Das Risiko für Nierenzell- und Endometriumkarzinome sei bei Dialysepatienten etwa vierfach erhöht, ebenfalls das Risiko für Myelome. Nicht häufiger als in der Normalbevölkerung träten Mamma-, Lungen- und Magenkarzinome auf.

Nach der Transplantation entwickeln sich ebenfalls viermal häufiger Malignome als in der Normalbevölkerung, allerdings seien die einzelnen Tumorarten unterschiedlich häufig. Zwar brächten Patienten nach einer langjährigen Dialyse ein erhöhtes Risiko für Nierenzellkarzinome mit, sagte Professor Bernhard Krämer von der Universität Regensburg. Bei Transplantatempfängern am häufigsten seien aber Hautkrebs, lymphoproliferative Erkrankungen und Lippenkarzinome, Nierenzellkarzinome folgten auf Platz vier. Ob bestimmte Immunsuppressiva wie mTOR-Hemmer oder Mycophenolatmofetil einen tumorprotektiven Effekt hätten, lasse sich trotz vielversprechender Daten noch nicht abschließend beurteilen.

Die Wissenschaftler halten ein Tumorscreening nach der Transplantation mindestens ein Mal pro Jahr für unerläßlich, damit Patienten optimal von einer Organübertragung profitieren. Während der Dialyse richtet sich das regelmäßige Screening nach den bei der Behandlung häufigsten Tumoren und sollte ebenfalls mindestens ein Mal pro Jahr erfolgen, so Krämer.



FAZIT

Die Dialysetherapie über lange Zeit erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Malignome, aber auch nach Nierentransplantation sind diese Risiken erhöht. Die Pathomechanismen am Herz unterscheiden sich jedoch vor und nach Transplantation, ebenso die Häufigkeit der Malignome. Die Abwägung, ob ein Dialysepatient mit einem Malignom auf die Warteliste kommt, sollte von seinem Gesundheitszustand sowie von Stadium und zu erwartender Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors abhängig gemacht werden.

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