Spezielle Op für eine schnelle Genesung

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Das Team von Professor Markus Büchler (rechts) und Professor Carsten Gutt (links) bei der Live-Übertragung einer Darm-Op mit Fast-Track in Heidelberg.

Das Team von Professor Markus Büchler (rechts) und Professor Carsten Gutt (links) bei der Live-Übertragung einer Darm-Op mit Fast-Track in Heidelberg.

© Foto: Stefan Kresin

HEIDELBERG (bd). Patienten nach einer Op schneller wieder fit zubekommen. Das ist das Ziel der Fast-Track-Chirurgie. Die Methodik dazu wurde kürzlich bei einer Operation in der Chirurgischen Universitäts-klinik Heidelberg demonstriert.

Fast Track heißt wörtlich schnelle Bahn. "Wir operieren aber nicht in Hochgeschwindigkeit", stellt Klinikchef Professor Markus Büchler klar. Die Säulen der Fast-Track-Chirurgie sind vielmehr eine wenig belastende Op-Vorbereitung und Op, eine umfangreiche Schmerztherapie sowie eine psychologisch motivierende Vorbereitung der Patienten, um die Genesung zu beschleunigen. Ziel ist es, Betroffene schneller wieder fit zu bekommen: zum Beispiel den Klinikaufenthalt bei Darmoperationen auf weniger als eine Woche zu verkürzen.

Bei allen Baucheingriffen wird Fast-Track-Chirurgie angewandt

Die Fast-Track-Chirurgie wurde in Heidelberg vor etwa fünf Jahren eingeführt und wird heute bei allen Baucheingriffen, also Darm-, Leber-, Pankreas-, Nebennieren- und Magenoperationen angewandt. Ein Drittel bis 50 Prozent der Patienten werden nach dieser Methode operiert, und zwar selbst bei großen Eingriffen wie der Entfernung von malignen Kolontumoren oder bei Leberteilresektionen. Multimorbide Patienten kommen allerdings nicht infrage.

Langes Fasten vor Darm-Op ist nicht mehr notwendig.

"Vor einer Darmoperation mussten die Patienten früher fasten. Der Darm hatte leer zu sein, deshalb wurde er mit vier Litern Flüssigkeit gespült", sagte Büchler. Heute kämen die Patienten mit gefülltem Darm in die Klinik. Die Nahrungskarenz beginne erst vier Stunden vor Op. Flüssiges können Patienten bis zu zwei Stunden vor Op zu sich nehmen.

Operative Eingriffe bei gefülltem Darm in einem solch infektiösen Gebiet werden möglich durch eine Antibiotikatherapie während der Op. Außerdem wird peinlich darauf geachtet, dass kein Darminhalt austritt. Die Anastomose etwa kann mit modernen Klammernahtgeräten, die transanal über den Enddarm eingeführt werden, nahezu kontaminationsfrei erfolgen, hat der Chirurg Professor Carsten Gutt berichtet. Auch Ernährungssonden und Drainagen sind überflüssig.

Für Fast-Track-Chirurgie wurden zudem Techniken aus der minimal-invasiven Chirurgie übernommen, nämlich mit kleinen Schnitten auch in der offenen Chirurgie auszukommen und blutarm zu operieren.

Lokalanästhetika helfen Narkosemittel einzusparen

Zum Erfolg des Fast-Track-Konzepts trägt auch wesentlich die Anästhesie und Schmerztherapie bei. Schon präoperativ wird bei den Patienten ein Periduralkatheter gelegt, um sie während der Op und danach kontinuierlich mit einem Lokalanästhetikum zu versorgen, erläuterte der Direktor der Anästhesiologischen Klinik, Professor Eike Martin. Durch den kombinierten Einsatz von Lokalanästhetika und die Allgemeinnarkose werden einerseits Narkosemittel eingespart, andererseits bleibt die Darmperistaltik erhalten. Und: Die Patienten wachen schneller wieder auf. All dies führt zu einer schnelleren Mobilisation des Darmes und der Patienten, was wiederum die Genesung beschleunigt und Komplikationen wie Thrombosen und Herz- und Kreislaufprobleme reduziert.

So berichtete in der Klinik eine Patientin von ihrer schnellen Erholung. Noch am Op-Tag nach einer Leberteilresektion wegen Kolonmetastasen habe sie auf der Bettkante sitzen können. Einen Tag später habe sie Bouillon und Brei gegessen. Und jetzt - vier Tage nach dem schweren Eingriff - sei sie auf dem Gang spaziert und wolle bald nach Hause. "Früher lagen solche Patienten allein eine Woche auf der Intensivstation", sagte der leitende Oberarzt der Chirurgischen Klinik, Professor Jan Schmidt dazu.

Damit dieses Konzept funktioniert, müssen Pflegekräfte und Patienten mitziehen. Die Leiterin des Pflegedienstes der Klinik, Gisela Müller, nennt es Patientenedukation. Patienten werden dabei von Anfang an auf ihre aktive Rolle bei der Genesung und ihrer frühen Entlassung eingestellt. Dieser psychologische Effekt helfe, die Selbstheilungskräfte zu mobilisieren: "Wenn die Patienten feststellen, dass sie schmerzfrei sind und darauf vertrauen, dass im Op-Bereich nichts reißen kann, kommen sie auch schnell wieder auf die Beine". Nach der Entlassung werden die Patienten zur Kontrolle noch einmal in die Klinik einbestellt.

Bei fünf Prozent der Patienten kommt es zu Komplikationen

Die Komplikationsrate bei der Fast- Track-Chirurgie wurde in internationalen Studien erhoben. Nach Angaben von Büchler kommt es bei fünf Prozent der Patienten nach einer Darmoperation zur stationären Wiederaufnahme - vor allem wegen Infektionen oder auch Blutungen.

Hausärzte werden bei Fast-Track stärker eingebunden als bei herkömmlichen Op-Verfahren. Ihnen obliegt die postoperative Wunderversorgung, sie ziehen die Fäden und behandeln bei möglichen Wundinfekten. Büchler bedauerte, dass niedergelassene Kollegen von der Fast-Track-Entwicklung zunächst überrollt worden seien. Die Honorierung der Nachbetreuung müsse für Hausärzte sichergestellt werden, forderte der Chirurg die Krankenkassen auf.

Die Fast-Track-Chirurgie wurde Ende der 90er Jahre von dem dänischen Chirurgen Professor Henrik Kehlet für die Dickdarmchirurgie entwickelt. Zunehmend wird dieses Konzept auch in Deutschland umgesetzt, Auch das Spektrum der Indikationen über die Bauchchirurgie hinaus werde größer, sagt Büchler.

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