Gendefekt läßt Androgenwerte bei Frauen steigen

FRANKFURT/MAIN (ner). Kommen Frauen mit seborrhoischer Haut, Akne und mit Klagen über zunehmende Gesichtsbehaarung in die Praxis, besteht der Verdacht auf eine Hyperandrogenämie. Aber auch junge Mädchen in der Pubertät und Adoleszenz haben recht häufig eine Androgen-Überproduktion mit denselben klinischen Symptomen wie bei älteren Frauen. Dann liegt meist ein genetisch bedingtes adrenogenitales Syndrom (AGS) vor.

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Betroffen von dem Syndrom sei eine von 1000 jungen Frauen, sagte Professor Cosima Brucker von der Universitäts-Frauenklinik in Ulm zur "Ärzte Zeitung".

Beim AGS handelt es sich um einen heterozygot vererbbaren Enzymdefekt, der sich in der Pubertät oder Adoleszenz manifestiert. Meist liege ein Defekt in dem Enzym 21-Hydroxylase zugrunde, so Brucker bei einem Kongreß in Frankfurt am Main. Das daraus resultierende Kortisoldefizit führt zur vermehrten Ausschüttung von adrenocorticotropem Hormon (ACTH) und damit zur Androgen-Überproduktion in der Nebenniere.

Folge sind dieselben klinischen Symptome wie bei älteren, meist adipösen Frauen mit Hyperandrogenämie, etwa aufgrund einer Ovarfunktionsstörung. Bei einer von 14 heterozygoten Merkmalsträgerinnen des AGS sind die Symptome allerdings abgeschwächt oder nicht vorhanden. Außer den typischen Haut-Merkmalen der Hyperandrogenämie treten beim AGS Zyklusstörungen, besonders die Oligomenorrhoe auf. Auch könnten eine vorzeitige Adrenarche sowie eine Akzeleration des Knochenalters vorkommen, sagte Brucker. Zur Sicherung der Diagnose ist außer einem ACTH-Test die molekularbiologische Diagnostik wichtig, weil damit bestimmte Genmutationen direkt erfaßt werden können.

Zu den häufigsten Ursachen der Hyperandrogenämie bei Frauen in höherem Lebensalter gehört das polyzystische Ovarialsyndrom (PCO-S), von dem etwa sechs Prozent der weiblichen Bevölkerung betroffen seien, so Brucker. Diese Erkrankung ist oft begleitet von Störungen des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels.

Die Therapie bei Hyperandrogenämie sollte sich nach der Ursache richten, empfiehlt Brucker. Begleitende endokrine Störungen wie eine Schilddrüsendysfunktion oder Hyperprolaktinämie sollten dabei im Vordergrund stehen. Bei Adipositas etwa steht die Gewichtsreduktion an erster Stelle. Oft bessern sich bereits dann die Symptome. Zur Hemmung der Steroidsynthese in der Nebennierenrinde sollte Prednisolon verordnet werden. Die ovarielle Steroidsynthese läßt sich mit oralen Kontrazeptiva supprimieren. Bevorzugt sollten hierzu Gestagene verwendet werden, empfiehlt die Ulmer Gynäkologin. Bei Patientinnen mit Störungen des Kohlenhydrat-Stoffwechsels seien Ernährungsumstellung, Sport und gegebenenfalls auch die Therapie mit Metformin zu empfehlen.



STICHWORT

Adrenogenitales Syndrom

Die Ursachen für das adrenogenitale Syndrom (AGS) sind angeborene Enzymdefekte, die zu Störungen in der Synthese von Kortisol, Aldosteron und Androgenen führen. Kennzeichnend ist eine erhöhte Konzentration von adrenocorticotropem Hormon (ACTH), unter der es dann zu einer vermehrten Bildung von Androgenen sowie Vorstufen des Kortisols kommt. Die häufigste Ursache des AGS ist mit etwa 95 Prozent der 21-Hydroxylase-Defekt. Weitere häufige Ursachen des AGS sind ein 3ß-Hydroxysteroid-Dehydrogenasedefekt sowie ein 11ß-Hydroxylase-Defekt. (ikr)

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