Hohes Herzkreislauf-Risiko bei polyzystischem Ovarsyndrom

LÜBECK (bib/ikr). Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist mit einer Prävalenz von fünf bis zehn Prozent die häufigste endokrine Erkrankung von Frauen vor der Menopause. Und damit nicht genug: Für Herz und Kreislauf ist PCOS eine Zeitbombe. Da betroffene Patientinnen häufig ein metabolisches Syndrom mit Insulinresistenz, Bluthochdruck und Dyslipidämie haben, ist ihr Risiko für einen Herzinfarkt um das 7,4fache erhöht.

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"Das PCOS ist insgesamt mehr als ein kosmetisches Problem mit einer eingeschränkten Fertilität", meint Dr. Sascha Tauchert von der Universitätsklinik in Lübeck. Zwar stehe zunächst die Hyperandrogenämie mit Hirsutismus, Alopezie, Zyklusunregelmäßigkeiten und unerfülltem Kinderwunsch im Vordergrund, so der Gynäkologe. Doch bereits zum Diagnose-Zeitpunkt hätten 31 bis 35 Prozent der Patientinnen eine gestörte Glukosetoleranz. Die Progressionsrate zum manifesten Diabetes sei bei ihnen fünf- bis zehnfach erhöht (Gynäkologe 8, 2004, 681).

Für die Behandlung - sowohl im Hinblick auf das metabolische Syndrom, als auch auf die Hyperandrogenämie - ist es entscheidend, die Insulinresistenz zu verbessern. Tauchert: "Es konnte gezeigt werden, daß die periphere Insulinresistenz mit konsekutiver Hyperinsulinämie eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie des PCOS spielt, da die ovarielle Androgenproduktion durch ein erhöhtes Insulin stimuliert wird."

Erstmaßnahmen sind Bewegung und Gewichtsreduktion. Eine Gewichtsreduktion verringert die Insulinresistenz und damit das Serum-Insulin sowie die Androgenspiegel im Blut. Außerdem können Ovulationen wiederhergestellt werden. In einer Studie wurde etwa bei 28 adipösen PCOS-Patientinnen mit einer dreimonatigen Diät - unabhängig vom Proteinanteil - eine Gewichtsreduktion von 7,5 Prozent erzielt. Außerdem wurden die Menstruationszyklen bei den Frauen regelmäßiger, das Lipidprofil verbesserte sich, und die Insulinresistenz verringert sich.

Auch Antidiabetika können sinnvoll sein, wenngleich ihre Verwendung noch ein "off label use" ist und daher Aufklärung und Einverständnis der Patientinnen voraussetzt. Meist wird Metformin verordnet.

Bei jeder dritten Frau wurde der Zyklus normalisiert

Mit dreimal täglich 500 mg Metformin ließen sich in einer placebokontrollierten Studie die Insulinspiegel innerhalb von sechs Monaten um 33 Prozent und die Androgenspiegel um 21 Prozent senken. In der Placebogruppe ergaben sich hingegen keine Veränderungen. In einer anderen Studie normalisierte Metformin bei einem Drittel der damit behandelten PCOS-Patientinnen den Zyklus, drei der 26 Studienteilnehmerinnen wurden spontan schwanger.

Studien zur Metformin-Therapie während der Schwangerschaft liefern Hinweise darauf, daß sich darunter das Risiko für einen Gestationsdiabetes verringert und die Abortrate gesenkt werden kann. Sie liegt bei PCOS-Patientinnen normalerweise bei 30 bis 50 Prozent.

Erhöhte Fehlbildungsraten oder Entwicklungsstörungen in den ersten sechs Lebensmonaten wurden nach Taucherts Angaben in einer Studie bei 63 Lebendgeborenen nicht festgestellt. Metformin gilt als nicht teratogen, Langzeitdaten fehlen allerdings.

Metformin verringert kardiovaskuläre Risikofaktoren

Bisher ist auch unklar, ob orale Antidiabetika wie das Metformin kardioprotektiv wirken. Es steht jedoch fest, daß sie kardiovaskuläre Risikofaktoren günstig beeinflussen. So verringern sie die Serum-Triglyzeride, den Blutdruck, das CRP (C-reaktives Protein) und die Entstehung eines Typ-2-Diabetes.



STICHWORT

Polyzystisches Ovar- syndrom (PCOS)

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist ein multifaktorielles Krankheitsbild, das mit einer Vergrößerung der Ovarien durch Bildung multipler subkapsulärer Zysten einhergeht. Die klinischen Symptome sind: Zyklusstörungen (Amenorrhoe, Oligomenorrhoe, Anovulation), Hyperandrogenämie (Akne, Hirsutismus, Alopezie), Adipositas, Sterilität und Hyperpigmentierung (Akanthosis nigrans). Typisch für das PCOS-Syndrom sind außerdem hormonelle Veränderungen wie eine Erhöhung des Testosterons sowie metabolische Veränderungen wie eine Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie und einer erhöhten Serumkonzentration von freiem IGF-1. (ikr)

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