GASTKOMMENTAR
Umdenken bei der Inkontinenz-Therapie
Weder die Prävention der Harninkontinenz noch die Therapie ist bisher eine Indikation zum systemischen Hormonersatz (HRT) mit konjugierten, equinen Östrogenen. In der Praxis werden solche Mittel aber dennoch gelegentlich zu diesem Zweck angewendet.
Daß diese Art der HRT eine Harninkontinenz gar verschlechtern kann, wie jetzt eine Analyse der WHI-Studie ergeben hat, zwingt zum Umdenken - auch wenn die wissenschaftliche Erklärung für die Daten noch fehlt. Die Harninkontinenzgenese ist jedenfalls nicht allein über den unter HRT verstärkten Kollagenabbau im Periurethralbereich zu interpretieren, den die US-Kollegen als Auslöser postulieren.
Bei Frauen, denen konjugierte, equine Östrogene bislang in rein urogynäkologischer Absicht ohne genaue Diagnostik verordnet wurden, ist es sicher sinnvoll, das verfügbare Budget für eine wirksame, symptomorientierte Therapie zu nutzen.
Das heißt: Bei der nächsten Konsultation sollte eine Harninkontinenz-Anamnese erhoben und gegebenenfalls eine urogynäkologische Diagnostik gemacht werden. Die auch von der Arbeitsgemeinschaft für Urogynäkologie und plastische Beckenbodenrekonstruktion bei Harninkontinenz empfohlene postmenopausale Östradiol- oder Östrioltherapie, besonders die lokale Östrioltherapie im Zusammenhang mit einer Pessartherapie, sollte nicht in Frage gestellt werden.
Privatdozent Dr. Ralf Tunn ist Leitender Arzt der Urogynäkologie und Koordinator des Deutschen Beckenbodenzentrums an den St. Hedwig Kliniken in Berlin
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