Mutter auf Probe mit dem Babysimulator

Von Birgit Reichert Veröffentlicht:

Die kleine Johlle sieht aus wie ein richtiges Baby. Sie schreit auch so, macht die Windeln voll und schläft nachts nur stundenweise. Der kleine Winzling in Strampler und Babymützchen ist aber ein Babysimulator, der seit Montag im Diakonischen Werk in Trier eingesetzt wird.

Mit der programmierbaren Puppe können junge Mädchen Mutter auf Probe sein. Sie dürfen Johlle für ein paar Tage mit nach Hause nehmen und schauen, was ein Baby für Arbeit macht.

Jungen und Mädchen ab elf dürfen die Puppe ausprobieren

Martina Bahlmann hat gerade drei Tage Mutter-Dasein hinter sich: "In der zweiten Nacht war es schon schlimm", sagt die 14jährige. "Johlle ist fast jede Stunde wach geworden."

Die Babypuppe steht von sofort an für Mädchen und Jungen ab elf Jahren zur Verfügung, erläutert Gudrun Zimmermann, Schwangeren-Beraterin beim Diakonischen Werk im Evangelischen Kirchenkreis Trier.

Der Simulator sei aber kein Spielzeug, sondern komme nur in Projekten mit Schulklassen und Jugendgruppen zum Einsatz. "Wir wollen mit dem Baby zur Diskussion über Sexualität und das Kinderkriegen anregen", sagt sie.

Wer Johlle mit nach Hause nimmt, bekommt außer Autositz, Wickeltasche und Kinderwagen auch eine "BabyCard" mit, eine Gebrauchsanweisung mit hilfreichen Betreuungs-Tips. Außerdem kann er vorher programmieren, auf welche "Härtestufe" er sich einlassen will. Der Computer registriert auch, ob die "Mama" wirklich lieb zum Kind ist - oder ob sie es anschreit oder gar schüttelt.

Angesichts der steigenden Zahl von Teenager-Schwangerschaften sei Aufklärung besonders wichtig, sagt Berater-Kollegin Josefine Engeln. "Viele junge Menschen schlafen beim ersten Mal unverhütet miteinander." Die Paare seien überrascht, daß "es passiert" sei, und redeten einfach nicht über Verhütung.

Hinzu komme, daß Mädchen immer früher fruchtbar würden. Vor 100 Jahren seien Mädchen ab 16 schwanger geworden, heute schon mit zwölf. "In zehn Jahren werden wir zehn Jahre alte Schwangere haben", prophezeit sie.

Außer den ungeplanten Schwangerschaften gebe es aber auch den Trend, ganz bewußt als junges Mädchen schwanger zu werden, um vor Problemen mit Schule und Ausbildung zu flüchten.

"Das ist die letzte Ressource Mensch, die die Mädchen als Alternative ausprobieren, wenn sonst nichts klappt", sagte Engeln. Im Jahr 2004 wurden 13 000 Mädchen unter 18 Jahren schwanger. Die Zahl der Abtreibungen lag bei knapp 7900.

Nach Angaben des Herstellers "Babybedenkzeit" (Delmenhorst/Niedersachsen) werden Simulator-Puppen inzwischen bundesweit in 200 Einrichtungen zur Verfügung gestellt.

Viele sind froh, die Puppe wieder abgeben zu können

Beim Sozialdienst katholischer Frauen in Koblenz sind seit zwei Jahren Babysimulatoren im Einsatz. "Meistens mit dem Ergebnis, daß die Mädchen ihren Kinderwunsch erst mal verschieben", sagt Beraterin Helma Göbel. "Sie sind auch zum Teil froh, wenn sie die Puppe wieder abgeben dürfen."

Das ist Martina Bahlmann allerdings gar nicht. "Johlle ist schnell ein Teil von mir geworden, und dann war sie plötzlich einfach aus." Das glückliche Glucksen nach dem Fläschchen und die ruhigen Atemgeräusche haben ihr besonders gut gefallen. Trotzdem will sie selbst erst Mami werden, wenn sie Schule und Ausbildung fertig hat. Denn: "Beim Lernen hat sie schon ganz schön gestört." (dpa)

Mehr zum Thema

Steigende Zahlen

106.000 Abruptiones im Jahr 2023

Möglicher Langzeiteffekt bei älteren Frauen

Supplementation von Calcium und Vitamin D könnte Krebsmortalität senken

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert