"Lerngestörte Kinder sind wie Sonnenblumenkerne"

Von Sebastian Sedlmayr Veröffentlicht:

ADS, ADHS, LRS sind Abkürzungen, die bei vielen Eltern die Alarmglocken schrillen lassen. Schließlich geht es um "Aufmerksamkeitsdefizitstörung", "Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung" und "Lese- und Rechtschreibschwäche", also Konzentrations-, Sprach- und Lernschwächen bei Kindern. Häufig durchlaufen Kinder mit Entwicklungsschwierigkeiten eine Reihe verschiedener Therapien ohne spürbaren Erfolg. Etwa fünf Prozent der in Deutschland geborenen Kinder sind betroffen.

Dr. Gerhard Otto glaubt einen Weg gefunden zu haben, die sogenannten Lern- und Teilleistungsstörungen wirksam zu bekämpfen. Der Arzt und seine Frau empfangen in ihrer Essener Privatklinik Patienten, die sich mit der "Sunflower-Methode" therapieren lassen wollen.

"Lerngestörte Kinder sind wie Sonnenblumenkerne: Zunächst sind sie ganz unscheinbar, dann wachsen sie zu wunderschönen Wesen heran", erklärt Otto die Namensgebung.

Der Allgemeinarzt geht bei der Behandlung seiner jungen Patienten nach dem aus England importierten "Sunflower-Prinzip" vor: "Wir versuchen, so viel Streß wie möglich aus dem Körper zu nehmen, damit so viel Energie wie möglich zum Lernen bereitsteht", erklärt Otto. Zu diesem Zweck würden zunächst Stoffwechsel, Bewegungsapparat und Nervenfunktionen des Patienten untersucht. "Wir stellen fest, ob eine Sunflower-Therapie Sinn macht."

Die Methode greife dann, wenn eine auf Unregelmäßigkeiten des Stoffwechsels oder auf motorischen Fehlern gründende Störung vorliege. Aber auch psychische Ursachen für Lernstörungen ließen sich mit der Therapie beheben, berichtet der Mediziner.

Je nach Diagnose wendet Otto eine Kombination verschiedener Behandlungsansätze an: Mit Chirotherapie, Massagen und Akupressur begegnet er Störungen im Bewegungsablauf, mit Osteopathie sollen Nervenleiden behoben, mit Neurolinguistischer Programmierung Versagensängste bekämpft werden. Außerdem empfiehlt Otto je nach Blutbild Beigaben zur Nahrung wie Vitamine, Mineralien oder Spurenelemente.

Ziel der "Sunflower"-Behandlung ist ein "integrativ funktionierendes Gehirn", das einfache körperliche Abläufe routiniert im Unterbewußtsein bewältigt, während der wache Geist sich auf Lesen, Schreiben oder Rechnen konzentrieren kann. "Kinder müssen sehr viel übers Körperliche nachdenken", erläutert Otto diese seiner Meinung nach häufige Ursache für Lernstörungen.

Nach der Diagnose erstellt Otto einen Behandlungsplan. "Meist benötigen wir acht über ein Jahr verteilte Sitzungen", sagt der Sunflower-Spezialist. Nach der Therapie sollen die Kinder ihre neu erworbenen Fähigkeiten ausprobieren. "Drei bis sechs Monate später kommen sie zur Nachsorgeuntersuchung." Dann stellt sich heraus, ob die 800 bis 1200 Euro teure Behandlung einen positiven Effekt hatte. "Wir machen derzeit eine auf Eltern-Fragebögen gestützte Erhebung", sagt Otto. Erste Zwischenergebnisse ließen darauf schließen, daß etwa bei der Hälfte der Patienten eine Verbesserung der Lernfähigkeit eingetreten sei.

Otto weiß, daß anerkannte Logopädenorganisationen wie etwa der Deutsche Bundesverband für Logopädie die Effektivität der "Sunflower-Methode" bezweifeln. "Aus logopädischer Sicht bin ich solchen Methoden gegenüber skeptisch", sagt zum Beispiel die Leiterin der Bonner Schule für Logopädie, Tanja Jahn.

Sunflower-Therapeut Otto ist trotz dieser Bedenken und der mangelnden wissenschaftlichen Belege von der Methode überzeugt. Das beste Beispiel für die Wirksamkeit sei sein eigener Sohn: "Er ist in England erfolgreich behandelt worden, bevor ich als erster die Therapie nach Deutschland gebracht habe."

Mehr zum Thema

Bürokratieabbau in der Praxis

Kinderärzte fordern Abschaffung der Kinderkrankschreibung

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen