Homepage hilft Jugendlichen, mit Trauer und Einsamkeit umzugehen

FREIBURG (ddp). Der Tod ist für Jugendliche normalerweise weit weg. Doch wenn sie plötzlich einen geliebten Menschen verlieren, trauern sie anders als Erwachsene.

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"Sprunghafter", sagt Ulrike Bilger, seit 1991 Leiterin der Hospizgruppe Freiburg im Diakonischen Werk Baden. "Manchmal ziehen sie sich plötzlich heftige Heavy-Metall-Musik rein", berichtet sie. Den Friedhof betrachteten junge Leute nicht als geeigneten Trauerort, das Internet hingegen schon eher.

Bilger hatte im August 2003 zusammen mit einer Mitarbeiterin die erste deutschsprachige Homepage speziell für trauernde Jugendliche unter der Adresse www.allesistanders.de ins Leben gerufen. Seitdem hätten mehr als 24 000 Nutzer die Internetseite mit Chat und Forum besucht - weit mehr als angenommen. "Das hat uns umgehauen", sagt die 43jährige Sozialpädagogin, die als einzige Hauptamtliche zusammen mit zehn ehrenamtlichen Mitarbeitern das Projekt betreut.

Am ersten Juli-Wochenende soll nun im Schwarzwaldort Breitnau die erste "Begegnungsfreizeit" solcher Jugendlicher aus ganz Deutschland stattfinden, die sich über den Austausch im Chat der Homepage kennengelernt haben. Bisher haben neun Mädchen, die zumeist ihren Vater verloren haben, und drei Jungen ihre Interesse signalisiert.

Das weibliche Übergewicht ist kein Zufall. Auch im Chat meldeten sich "fast nur Mädchen". Die jüngsten Chatter sind 14 Jahre alt. Jeden Mittwochabend greifen 15 bis 30 junge Leute auf diese Möglichkeit zu. Der Chatroom ist dann zwischen 20.00 und 22.00 Uhr geöffnet.

Ein 16jähriges Mädchen aus Leverkusen, das beide Eltern verloren hat, schreibt zum Beispiel: "Es kann doch wohl nicht sein, daß ich keine Eltern mehr habe! hallo?? sowas passiert doch nur anderen,... aber nie mir! tja... jetzt sitze ich tatsächlich hier... alleine!"

Diese Einsamkeit zu überwinden und junge Leute in ihrer Trauer zusammenzubringen, sieht Ulrike Bilger als wichtigste Aufgabe an. "Das schaffen wir auch", sagt sie. "Der virtuelle Raum hat sich bewährt", weist sie Kritik zurück, wonach im Internet die Trauer nicht wirklich verarbeitet werden könne.

Bilger selbst sitzt mehrere Stunden am Tag vor dem Computer und gibt Hilfen, wenn sie danach gefragt wird. In besonders schwierigen Fällen versucht sie, Jugendliche an einen Psychotherapeuten zu vermitteln. Manche der User sehen etwa mit Grausen dem Todestag eines geliebten Menschen entgegen. Ihnen rät die Sozialpädagogin, diesen Tag mit einem festen Stundenplan zu strukturieren, "weil man sonst absolut abstürzt". Man müsse sich aber auch die Zeit nehmen, des Toten zu gedenken.

Die Idee zu dem Internet-Projekt, für das weiterhin Sponsoren gesucht werden, hatte sich nach einem Seminar für trauernde Jugendliche in Bad Segeberg entwickelt. Die Gruppenleiter beobachteten damals, daß Jugendliche das übliche Gruppenangebot nur sehr zögerlich annahmen. Die "wirklich wichtigen Gespräche" fanden am Abend am Kamin statt, und zwar ohne Gruppenleiter.

Trauerbegleitung im Internet: www.allesistanders.de und www.trauer.org

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