Forscher begeben sich auf Spurensuche im Erbgut

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:

Das Projekt ist ehrgeizig: In etwa eineinhalb Jahren möchte ein Konsortium internationaler DNA-Labors eine Karte der häufigsten Haplotypen des Menschen mit seinen Vorfahren aus Asien, Afrika und Europa erstellt haben - die HapMap.

Auf 1,6 Millionen schätzen die Forscher die Zahl jener Sequenzvarianten, die mit einer Mindest-Häufigkeit von einigen Prozent pro Merkmal in einer ethnischen Gruppe vorkommen. Die Daten werden ins Internet gestellt und sollen genetische Risikofaktoren für Krankheiten aufdecken.

Außerdem hoffen die Forscher, über Varianten von Genen, bei denen sich funktionelle Verbindungen zu Krankheiten herstellen lassen, neue Zielstrukturen für die Therapie zu finden.

Dr. Panos Deloukas vom Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridge in Großbritannien hat das HapMap-Projekt bei einem Kongreß über Biochip-Techniken in Frankfurt vorgestellt. Das Sanger Center liefert einen recht großen Teil der Daten.

Bei HapMap werden DNA-Proben von 270 Menschen untersucht: 90 Menschen stammen aus Familien des US-Bundesstaats Utah mit nord- oder westeuropäischen Vorfahren. Es sind Gruppen mit jeweils zwei Erwachsenen und einem gemeinsamen Kind. Ebenfalls drei mal 30 Proben wurden in Nigeria von der Volksgruppe der Yoruba gesammelt, und jeweils 45 Proben stammen von miteinander nicht verwandten Personen aus Japan und China (Nature 426, 2003, 789).

"Die meisten häufigen Krankheiten wie Diabetes, Herz- und Hirninfarkte oder Fettstoffwechselstörungen sind assoziiert mit einem ganzen Spektrum von DNA-Varianten, nicht mit einigen wenigen", erläuterte Deloukas. "Im ersten Schritt einer Datenauswertung für medizinische Zwecke wird es darum gehen, Gruppen von genetischen Markern für eine bestimmte Krankheit zusammenzustellen", sagte Deloukas der "Ärzte Zeitung".

"Im zweiten Schritt wird man untersuchen, ob es Funktionszusammenhänge der Gene und ihrer entsprechenden Proteine mit einer Krankheit gibt." Beispiele dafür sind die Assoziation von Typ-I-Diabetes mit bestimmten HLA-Antigenen, also den Gewebeverträglichkeitsantigenen, von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen mit dem NOD2-Gen, von tiefen Venenthrombosen mit bestimmten Varianten des Gerinnungsfaktors V oder von Schizophrenie mit dem Neuregulin-1-Gen. "Ich glaube daß wir in drei bis fünf Jahren bei den häufigsten Krankheiten solche Assoziationen über das HapMap-Projekt gefunden haben", sagte Deloukas.

Seltene, krankheitsassoziierte DNA-Varianten ließen sich nur ermitteln, indem alle kodierenden DNA-Abschnitte eines Patienten sequenziert und dann darunter jene Gene herausgefischt würden, die vermutlich funktionelle Veränderungen hervorriefen.

In einem Sonderprojekt sucht das Sanger-Institut in Cambridge im Human-Genom das Chromosom 20 nach Varianten ab, die typisch für Diabetes mellitus vom Typ II sind. Dabei werden die Daten von 1000 gesunden mit denen von 1000 kranken Menschen verglichen.



STICHWORT

Haplotyp

Gene kommen in verschiedenen Varianten - Allelen - vor, und zwar unterschiedlich häufig in den einzelnen Populationen. So gibt es zum Beispiel vom HLA-A-Gen auf Chromosom 6 insgesamt 20 mögliche Allele, vom HLA-B-Gen sogar 40. Jede Kombination von Genen in einem Chromsomensatz heißt Haplotyp. Der Mensch hat zwei Haplotypen, nämlich einen von jedem Elternteil.

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