Erwartung an Genom-orientierte Medizin zu hoch

BERLIN (gvg). Vor übertriebenen Hoffnungen auf eine individualisierte, Genom-orientierte Medizin hat der Genetiker Professor Klaus Lindpaintner aus Basel gewarnt. Die Erwartungen seien in der Vergangenheit zu hoch geschraubt worden.

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Lindpaintner arbeitet für das Schweizer Unternehmen Hoffmann-La Roche und gilt als einer der führenden europäischen Genetiker. Auf der internationalen Human-Genom-Tagung 2004 in Berlin beklagte er das nahezu vollständige Fehlen klinischer Studien, die bisher den Zusammenhang zwischen einzelnen Genen und Arzneimittelwirkungen bei ausreichend großen Untersuchungsgruppen analysiert hätten.

Genetische Tests, die zum Beispiel Auskunft über mehrere Stoffwechsel-Gene bei einem Patienten geben, um darauf aufbauend die Dosis eines Medikaments zu modifizieren, seien ohne diese großen klinischen Studien in der Praxis nutzlos und in ihrer Aussagekraft fragwürdig.

Größere Hoffnungen als in die Pharmakogenomik zur Verringerung von Arzneimittelkomplikationen setzt Lindpaintner in die Zuordnung der Patienten für gezielte, molekulare Therapien anhand genetischer Merkmale, wie das etwa bei Brustkrebs durch die Bestimmung des Herceptin-Rezeptors möglich wurde.

Um die Möglichkeiten für die Prüfung pharmakogenetischer Fragestellungen offen zu halten, die derzeit noch nicht offensichtlich sind, forderte Lindpaintner, daß bei klinischen Studien künftig generell Blutproben archiviert werden sollten. Nur so sei es ohne größere finanzielle Kraftakte möglich, Gen-Untersuchungen nachzuholen, wenn sich im Verlauf herausstellen sollte, daß einzelne Gene oder Proteine die Wirksamkeit eines Mittels beeinflussen.

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