Von seltenen Erkrankungen für Volksleiden lernen

Durch die Erforschung seltener Erkrankungen wird oft auch die Basis zur Entwicklung innovativer Therapien gegen Volkskrankheiten geschaffen.

Veröffentlicht:

FÜRTH (wst). Seltene Erkrankungen waren in der Vergangenheit Stiefkinder der Forschung. Hier findet derzeit ein Umdenken statt. Darauf hat Professor Franz Jakob von der Universitätsklinik Würzburg beim DVO-Kongress "Osteologie 2011" in Fürth hingewiesen.

Eine chronische Erkrankung gilt dann als selten, wenn weniger als einer von 2000 Menschen davon betroffen ist. Mangels Wissen und Erfahrung werden seltene Erkrankungen in der täglichen Praxis oft lange nicht erkannt, oder die Betroffenen werden aufgrund falscher Diagnosen nicht richtig behandelt.

 Selbst wenn die richtige Diagnose feststeht, gibt es oft keine befriedigende Therapie, zumal bei einer ökonomisch orientierten Therapieforschung nur wenig Motivation bestand, in seltene Krankheiten zu investieren.

Derzeit findet hier aber ein gewisses Umdenken statt. Sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene werden von Forschungsförderern wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder auch dem Bundesministerium für Bildung und Forschung Programme aufgelegt, die sich forciert seltenen Erkrankungen und der besseren Betreuung von Betroffenen widmen.

Mit wirtschaftlich rentablen Orphan-Drug-Regelungen wurden auch Anreize für die forschende Pharmaindustrie geschaffen, sich verstärkt auf solchen Gebieten zu engagieren. Von Erkenntnissen, die bei der Erforschung seltener Erkrankungen gewonnen werden, profitieren nicht nur davon Betroffene, zeigte sich Jakob überzeugt.

Denn etwa die konzentrierte Aufklärung molekularer Ursachen einer seltenen Erkrankung führt oft auch zu einem besseren Verständnis von pathogenetisch und -physiologisch ähnlichen Vorgängen bei anderen, häufigeren Erkrankungen. Sie kann damit sogar zur Basis für die Entwicklung innovativer Therapien gegen Volkskrankheiten werden.

Nach Auskunft der Selbsthilfevereinigung "Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen" (ACHSE) sind inzwischen rund 5000 seltene Erkrankungen bekannt, und nahezu wöchentlich wird eine neue entdeckt.

 Auch wenn von einer einzelnen seltenen Erkrankung definitionsgemäß nur sehr wenige Menschen betroffen sind, addiert sich die Gesamtheit der an irgend einer seltenen Erkrankung Leidenden allein in Deutschland auf schätzungsweise vier Millionen.

Mehr Infos: www.achse-online.de

Mehr zum Thema

Allokation von Ressourcen in schwierigen Zeiten

Allgemeinmedizin, das ist lebenslange Präzisionsmedizin

Suche nach Markern

Multiples Myelom: Klonale Plasmazellen mit prognostischer Bedeutung

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen