Pflanzen-Extrakt bremst die Vermehrung von Grippeviren

NEU-ISENBURG (mut). Läßt sich mit Pflanzen-Extrakten eine Grippe-Infektion verhindern? Zumindest in Zellkulturen können Polyphenol-reiche Extrakte die Vermehrung von Influenza-Viren blockieren. Versuche deuten darauf, daß Substanzen aus solchen Extrakten Influenza- und andere Viren daran hindern, in Zellen einzudringen.

Veröffentlicht:

Pflanzliche Polyphenole waren bisher eher als Antioxidantien bekannt. So gibt es Zellkultur-Untersuchungen, in denen die Substanzen, zu den viele Farbstoffe, Geschmacksstoffe und Gerbsäuren gehören, das Wachstum von Krebszellen hemmten. Und mit Polyphenolen aus grünem Tee ließ sich auch bei Mäusen die Tumorinzidenz senken.

Polyphenole wirken offenbar auch antiviral

Doch offenbar haben Polyphenol-reiche Extrakte noch andere Fähigkeiten: Sie wirken antiviral. Es gibt inzwischen Studien mit Extrakten der bulgarischen Heilpflanze Geranium sanguineum. Dabei blockierten die Extrakte nicht nur die Vermehrung von verschiedenen Influenza-Stämmen in Zellkultur, sie schützten auch Mäuse vor Influenza-Infektionen (Life Science 6/76, 2005, 2981).

Einen starken antiviralen Effekt hat jetzt auch eine deutsche Untersuchung ergeben - und zwar für einen Extrakt aus der graubehaarten Cist-Rose (Cistus incanus), einer Pflanze mit einem besonders hohen Gehalt an Polyphenolen. Der Extrakt ist in Deutschland als Cystus® erhältlich.

Forscher vom Institut für Molekulare Virologie der Uni Münster haben geprüft, ob der Extrakt die Vermehrung von Vogelgrippe-Viren und von humanen Influenza-Viren stoppen kann. Dazu behandelten sie menschliche Lungen-Epithelzellen und Hunde-Nieren-Epithelzellen mit unterschiedlichen Konzentrationen des Extrakts und infizierten die Zellen anschließend mit dem Vogelgrippe-Stamm H7N7 sowie mit dem Human-Influenza-Stamm H1N1.

Viren-Konzentration wurde um zwei Zehnerpotenzen gesenkt

Die Ergebnisse: In beiden Zellinien konnte die Virusvermehrung deutlich blockiert werden - und zwar sowohl die der Vogelgrippe- als auch die der Human-Influenza-Viren. Neun bis 24 Stunden nach der Infektion waren die Viren-Konzentrationen in Lösungen von Zellen, die mit dem Extrakt behandelt wurden, um bis zu zwei Zehnerpotenzen geringer als in Lösungen von unbehandelten Zellen, heißt es im Abschlußbericht der Untersuchung.

Dabei war die antivirale Wirkung dosisabhängig: Mit einer Extrakt-Konzentration von 2µg/ml war sie nur sehr gering, mit einer Konzentration von 25 und 50 µg/ml am stärksten ausgeprägt. Eine schädliche Wirkung des Extraktes auf die Zellen konnte bei weiteren Versuchen nicht festgestellt werden.

Jetzt wäre zu prüfen, ob sich der Extrakt auch in der Praxis zur Grippe-Prävention und -Therapie bewährt, so Professor Stephan Ludwig, der die Studie geleitet hat. Um eine Extraktkonzentration von 25 bis 50 µg/ml auf Lungenepithelien zu erreichen, eignet sich die orale Einnnahme aber kaum. "Die geeigneten Konzentrationen ließen sich am besten erreichen, wenn man den Extrakt etwa über ein Spray inhalieren würde", sagte Ludwig zur "Ärzte Zeitung".

Noch unklar ist, wie der Pflanzenextrakt die Viren unschädlich macht. Ludwig vermutet zwar, daß Polyphenole im Extrakt die Ursache sind, es könnten aber auch Terpene an dem Effekt beteiligt sein. Für Polyphenole als antivirale Agenzien spricht eine Untersuchung mit einem isolierten Polyphenol - Resveratrol aus Rotweintrauben.

Die Substanz verhindert erfolgreich die Vermehrung von Influenza-A-Viren (J Infect Dis 191, 2005, 1719). Die Forscher der Studie vermuten, daß die antioxidative Wirkung der Substanz in den Zellen Ursache dafür ist.

Ludwigs Experimente deuten zumindest für den Cist-Rosen-Extrakt aber in eine andere Richtung. So hat er festgestellt, daß Viren, die vor der Infektion mit dem Extrakt behandelt werden, kaum noch infektiös sind. Demnach scheint der Extrakt auch direkt auf die Viren zu wirken. "Wir gehen davon aus, daß die Viren selbst gehemmt werden",so Ludwig.

Ursachen dafür könnten ebenfalls Polyphenole in dem Extrakt sein. So ist bekannt, daß Polyphenole Proteine verklumpen können. Viren haben besonders viele Proteine in ihrer Außenhülle. Binden Polyphenole dabei an wichtige virale Rezeptoren, können die Viren nicht mehr in Zellen eindringen. "In Aufnahmen mit Fluoreszenz-Mikroskopen konnte man sehen, daß Viren offenbar auf den Zelloberflächen sitzen und nicht reinkommen", so Ludwig.

Da die Proteinbindung unspezifisch ist, könnte dies auch die Wirkung des Cist-Rosen-Extraktes auf andere Viren erklären. So klangen mit dem Extrakt, den Patienten mit Tonsillopharyngitis in einer klinischen Studie gurgelten, die Beschwerden schneller ab als mit grünem Tee - solche Infekte sind meist viral bedingt.

Für Ludwig ist der Extrakt daher bei einer Atemwegsinfektion einen Versuch wert: "Ich würde den Extrakt nicht nur bei einer beginnenden Grippe nehmen, sondern nehme ihn jetzt schon bei beginnenden Halsschmerzen oder Entzündungen in der Mundhöhle."

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert