Heute die Jahrhundertflut, morgen der Hitzetod

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Von Thomas Meißner

"Hitzewelle in Spanien fordert erstes Opfer", titelten kürzlich die Nachrichtenagenturen. "Klimaerwärmung läßt Reis-Anbau-Erträge sinken", lautete eine andere. Oder: "NASA-Forscher verbinden El Niño mit tödlicher Krankheit in Südamerika" (gemeint ist die Bartonellosis, die durch Sandfliegen übertragen wird). Hitzewellen, Hochwasserkatastrophen, Moskitos, die in New York das West-Nil-Virus verbreiten - die Intervalle, in denen wir mit solchen Meldungen konfrontiert werden, verkürzen sich.

Und sie werden sich weiter verkürzen. Denn der Klimawandel ist in vollem Gange und wird voraussichtlich umfassende Auswirkungen auf unser künftiges Leben haben.

Politiker nehmen Klimaveränderung nicht bewußt wahr

"Ich glaube nicht, daß Klimaveränderungen und ihre Gesundheitseffekte von Bevölkerung oder Politikern bereits bewußt wahrgenommen werden", sagt Dr. Bettina Menne vom Europäischen WHO-Zentrum in Rom. Menne ist Fachreferentin für globale Veränderungen und Gesundheit. Und sie sagt das, obwohl sie gerade von einer großen Umwelt- und Gesundheitsministerkonferenz der EU in Budapest zurückgekehrt ist, auf der ein Aktionsplan zur Verbesserung von Umwelt und Gesundheit beschlossen wurde. Bis 2007 sollen nationale Pläne erarbeitet sein.

Es wird höchste Zeit. Die Hitzewelle im Sommer 2003 habe in Europa eine Übersterblichkeit von 25 000 bis 30 000 Toten zur Folge gehabt, so Menne. Die meisten Opfer hatte Frankreich zu beklagen mit mehr als 14 800 Hitzetoten. Inzwischen seien in den am stärksten betroffenen Ländern Interventionspläne entwickelt worden, so Menne.

Um bis zu 5,8 Grad wird sich die Erde bis 2100 erwärmen

Die Gletscher in den Hochgebirgen verschwinden, die Pol-Kappen schmelzen, die Meerestemperaturen ändern sich, die Meeresspiegel steigen. Bis zum Jahr 2100 wird sich die Erde um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius erwärmen, wenn nichts gegen die durch den Menschen verursachten Emissionen getan wird. Selbst wenn es gelänge, die Treibhausgas-Emissionen auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, was unrealistisch ist, würde der Klimawandel zunächst noch lange weitergehen, so das United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC).

Was regional genau passieren wird, kann selbst mit der besten Computer-Simulation nicht vorausgesagt werden. In manchen Regionen könnte sich die Lebensmittelproduktion verknappen, andere Landwirtschaften, etwa in Nordeuropa, könnten profitieren. Lange Trockenperioden, abgelöst von heftigen Regenfällen werden vermehrt auftreten ebenso wie Hochwasserkatastrophen und Stürme.

Das hat Auswirkungen auf Unfallraten, Verletzungsarten, die Qualität des Trinkwassers oder die Verbreitung von Infektionskrankheiten. So registrierte die WHO von 1996 bis 2000 in sechs europäischen Ländern 480 Krankheitsausbrüche im Zusammenhang mit Wasserverunreinigungen bei 64 000 Menschen.

Die veränderte Wetterlage kann im Zusammenhang mit den menschlichen Emissionen zur verstärkten Belastung der Luft mit Allergenen führen, was zum Beispiel die Zunahme von Asthmaerkrankungen zu Folge hätte. Die Hitze macht vor allem alten Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu schaffen. Katastrophen gehen auch vermehrt mit psychischen Störungen einher.

Eine US-Studie über regionale Klimaveränderungen im Osten der USA geht von der Zunahme exotischer Tierarten und tropischer Krankheiten aus. Das West-Nil-Fieber, welches nach Angaben von Menne auch in Europa seit mehr als 50 Jahren endemisch vorkommt, könnte nach starken Regenfällen und Überschwemmungen auch hier zu größeren Problemen führen, so geschehen etwa 1996 in Bukarest. Durch Veränderungen der heimischen Insektenpopulation und Zuwanderung bestimmter Stechmückenarten, könnte sich das ursprünglich aus Afrika stammende Virus in Mitteleuropa ausbreiten.

Zusammenhänge zwischen Umwelt und Gesundheit unklar

Auch wenn das Wissen um die Zusammenhänge zwischen Umwelt und Gesundheit zugenommen hat, wird vieles aufgrund der komplexen Problematik noch nicht verstanden. Das Europäische Zentrum für Umwelt und Gesundheit (ECEH), welches von der WHO 1989 eingerichtet worden ist, versucht evidenzbasierte Strategien und Instrumente zum Schutz der Gesundheit vor Umweltgefahren zu erarbeiten. Doch geht es dabei oft noch um Probleme, die in mitteleuropäischen Ländern meist schon gelöst sind, wie etwa sauberes Trinkwasser, unverbleites Benzin, Verbrennung fester Brennstoffe oder Abwasserentsorgung.

Jetzt soll ein Umwelt- und Gesundheits-Informationssystem (Environment and Health Information System - EHIS) aufgebaut werden, um anhand bestimmter Indikatoren, etwa zum Energieverbrauch, Verkehr oder zur Luftverschmutzung, Hilfe bei politischen Entscheidungen anbieten zu können. Derzeit findet in Bonn eine Konferenz statt, auf der dazu erste Ergebnisse geliefert werden sollen.

Infos: http://unfccc.int, www.euro.who.int und www.mpimet.mpg.de

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