Ärzte aus dem Leipziger Norden fordern Nachtflugverbot

LEIPZIG. Aus Sorge um die Gesundheit ihrer Patienten erheben Ärzte Einspruch gegen den geplanten Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle und die Ansiedlung der Post-Gesellschaft DHL, die ihren Nachtflugbetrieb von Brüssel zum Flughafen Leipzig/Halle verlegen will. Die Mediziner haben eine Unterschriftensammlung gestartet. Sie fordern vom Regierungspräsidium ein Nachtflugverbot.

Von Brigitte Düring Veröffentlicht:

"Die von der DHL pro Nacht geplanten 150 Starts und Landungen mit großen Flugzeugen werden tausende Menschen in ihrem Schlaf stören. Die vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen können das nicht ausreichend verhindern. Es gibt keine Untersuchung, die eine langfristige gesundheitliche Unbedenklichkeit eines Vorhabens in dieser Größenordnung belegt", begründen die Ärzte ihren Protest.

"Ich bin sehr besorgt. Mich hat entsetzt, daß Patienten aus fluglärmbelasteten Gemeinden des Rhein-Siegkreises deutlich mehr Tranquilizer, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antidepressiva, Mittel zur Behandlung des Bluthochdrucks und zur Behandlung von Herzkrankheiten verordnet bekommen, als Patienten aus Gemeinden, die keinem Nachtfluglärm ausgesetzt sind", sagt die Allgemeinmedizinerin Dr. Petra Letzien aus dem Leipziger Norden.

Dies habe eine Studie gezeigt, die die Arzneimittelverordnungen für BKK-Versicherte analysiert hatte. Die Ärztin, die sich in der Bürgerinitiative "Nachtflugverbot Leipzig e.V." engagiert, hat in der Nähe des Köln-Bonner Flughafen selbst einmal probehalber übernachtet. "Es war unerträglich. Beim Überflug ist der Lärm nachts so stark, daß Schallschutzfenster nichts nützen."

Von 4.30 Uhr bis 6.00 Uhr sollen 75 Maschinen starten

Letzien berichtet, DHL solle eine unbeschränkte Nachtfluggenehmigung über 30 Jahre und für alle Flugzeugtypen erhalten. Die Planungen gingen von 75 Landungen in der Zeit von Mitternacht bis 1.30 Uhr aus. In der Zeit von 4.30 bis sechs Uhr sollen weitere 75 Maschinen starten. "Dabei werden über 75 000 Menschen in ihrem Schlaf ganz massiv gestört, das sind erschreckend viele", sagt sie.

Letzien erzählt, daß aus Lärmschutzgründen die Menschen in dem besonders vom Fluglärm betroffenen Kursdorf umgesiedelt werden sollen. In der zweiten Fluglärm-Zone sei die Ausstattung der Häuser mit Schallschutzfenstern vorgesehen, in der dritten Zone müßte die Bevölkerung bei geschlossenen Fenstern schlafen, dafür würden Lüfter eingebaut.

Fluglärm macht auf Dauer die Menschen krank

Die Ärzte fürchten, daß der Fluglärm auf Dauer bei den Betroffenen zu hohem Blutdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und zu Depressionen führt. "Das darf nicht sein und ist unserer Meinung nach mit den eventuell entstehenden Arbeitsplätzen nicht zu rechtfertigen", protestieren die Ärzte. Die etwa 300 Millionen Euro, die an öffentlichen Geldern in den Flughafenausbau für das Projekt fließen sollen, sollten sinnvoller zur Schaffung neuer Arbeitsplätze eingesetzt werden, so die Meinung der Mediziner.

Um die Zumutbarkeit des Fluglärms zu rechtfertigen, werde von den Befürwortern des Projekts immer wieder eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) herangezogen, in der bei ausgewählten Probanden aus dem Umfeld des Köln-Bonner Flughafens keine signifikanten Gesundheitsstörungen durch Nachtfluglärm nachgewiesen wurden.

Diese Studie enthalte jedoch schwerwiegende methodische Fehler, kritisiert der Bremer Epidemiologe Professor Eberhard Greiser in einem Gegengutachten. Alte Menschen, Kinder und Kranke seien bei der DLR-Studie ausgeschlossen worden. Somit würden 75 Prozent der vom Fluglärm betroffenen Bevölkerung in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt, so Greisers Fazit.

Aufgrund des Protestes der 19 Ärzte aus Leipzigs Norden hat sich inzwischen auch die sächsische Landesärztekammer zu Wort gemeldet. Sie erklärt, "die Einhaltung der Nachtruhe hat gesicherte Bedeutung für die Gesundheitsprävention unserer Bevölkerung".

Um die Menschen vor Schaden zu bewahren, müßten aktuelle Forschungsergebnisse zu Lärm und Schadstoffbelastungen (auch Feinstäube) unbedingt bei der Umsetzung des Flughafenausbaus berücksichtigt werden, fordert die Kammer. Benötigt würden auch valide Studien zum vorbeugenden Gesundheitsschutz in der Region.

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