HINTERGRUND

Wenn der Sommer strahlt, ist eine Sonnenbrille so wichtig wie ein Hut

Von Angela Speth Veröffentlicht:

"Die Haut vergißt nicht!" lautet eine Warnung vor zuviel Sonne. Aber auch für die Augen gilt, daß Schäden durch zuviel Sonne im Lauf des Lebens akkumulieren: Der UV-Anteil ist vor allem schlecht für Hornhaut und Linse, der Blau-Anteil für die Netzhaut.

Dabei verdichten sich die Hinweise, daß der Blaubereich des Sonnenlichts auch das Risiko einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) erhöht. Eine Sonnenbrille ist daher ein ebenso wichtiges Accessoire wie ein Hut.

Die AMD hat zwar eine starke genetische Komponente, aber Umwelteinflüsse können die Anfälligkeit verstärken, wie Privatdozent Christian Grimm vom Universitätsspital Zürich zur "Ärzte Zeitung" gesagt hat.

Den Verdacht, daß zu den äußeren Faktoren das Sonnenlicht gehört, legen zum Beispiel Studien zu Kataraktoperationen nahe: Setzt man statt der trüben Linse eine klare ein, so daß mehr Licht ins Auge gelangt, treten bei einem größeren Anteil der Patienten langfristig Komplikationen der Makula auf als bei Patienten ohne diesen Eingriff.

Makuladegeneration wird durch blaues Licht begünstigt

Besonders die blaue Spektralfarbe mit Wellenlängen zwischen 450 und 500 nm schädigt die Photorezeptoren. Das haben Grimm und seine Kollegen unter Leitung von Professor Charlotte Remé herausgefunden. Die Zerstörung geschieht speziell über den Sehvorgang, bei dem eine Molekülgruppe, das Retinal, im Sehpurpur Rhodopsin in eine andere Form umklappt und danach über mehrere Schritte in die Ausgangsstruktur zurückverwandelt wird. Je mehr Licht einfällt, um so schneller läuft der Zyklus, um so eher sind die Photorezeptoren überlastet und sterben ab.

An dem Zelltod sind intrazelluläre Signalkaskaden beteiligt, darunter ein bestimmter Transkriptionsfakor. Hemmt man ihn zum Beispiel mit dem Glukokortikoid Dexamethason, bleiben die Schäden aus. Ein bemerkenswerter Befund ist ferner, daß durch Licht zwei Moleküle induziert werden, die auch bei AMD vorliegen.

Kommerzielle Sonnenbrillen enthalten meist einen Blaufilter

Seit diesen Entdeckungen werden nach Angaben von Grimm Sonnenbrillen - ob vom Designer oder vom Discounter - so hergestellt, daß sie 90 Prozent des Blauanteils herausfiltern. Zu höheren Wellenlängen hin läßt der Filtereffekt langsam nach - vom nächstgelegenen grünen Bereich werden schon 40 Prozent des Lichts durchgelassen.

"Eigentlich sollten die Gläser zusätzlich das Infrarot abschneiden, weil auch Wärmestrahlen den Sinneszellen abträglich sind, aber das macht leider keine", bedauerte Grimm. Eine Sonnenbrille sei besonders all jenen Menschen zu empfehlen, die Verwandte mit AMD haben.

Auf ihre Augen aufpassen sollten außerdem Patienten, die Medikamente nehmen. Denn viele Präparate - etwa Antibiotika - sind Photosensitizer. Dabei handelt es sich um Substanzen, die durch Licht angeregt werden und mit anderen Molekülen reagieren. Letztlich entstehen freie Radikale, die eine Atrophie der Retina begünstigen.

Wichtig ist ein Schutz weiterhin für Kinder, deren klare Linse noch sehr viel Licht durchläßt. Allgemein sind helle Augen empfindlicher für Netzhautschäden als dunkle: Die Pupille verengt sich zwar, trotzdem fließt durch die Iris mehr Licht ins Augeninnere.

Vorsichtsmaßregeln sollten besonders die vielen Touristen beachten, die in den Süden ans Meer oder ins Gebirge zum Skifahren reisen.

Auf einen Schutzeffekt der Ozonschicht können sie sich nämlich nicht berufen: Die schirmt allenfalls die für die Hornhaut schädlichen UV-Strahlen etwas ab, aber nicht das für die Netzhaut gefährliche Blaulicht. Die Luftverschmutzung hingegen hat so betrachtet ihr Gutes: Die Schwebepartikel filtern Licht aller Wellenlängen weg und schützen damit die Augen.



STICHWORT

AMD-Gen

Inzidenz und Prävalenz der AMD steigen nach dem 50. Lebensjahr exponentiell. Zu etwa zwei Dritteln ist die AMD genetisch bedingt, zu einem Drittel durch Umweltfaktoren. Die größte Portion vom erblichen Anteil macht ein Krankheitsgen aus, das erst kürzlich unter großem wissenschaftlichem Echo entdeckt wurde: Es handelt sich um einen DNA-Abschnitt, der die Bauanleitung für einen Komplementfaktor (H) enthält. Diese Befunde bedeuten, daß die Immunabwehr an der Pathogenese der AMD beteiligt ist. Menschen, bei denen ein bestimmter Basenaustausch in dem neu entdeckten Gen vorliegt, haben ein stark erhöhtes AMD-Risiko, heterozygote um den Faktor 2 bis 5, homozygote gar um den Faktor 4 bis 7 (Ophthalmologe 102, 2005, 1029).

Schlagworte:
Mehr zum Thema

20-Jahres-Vergleich

Auch Kinder mit Typ-1-Diabetes kommen früher in die Pubertät

Klimawandel

Fruchtsaft schadet Nieren bei großer Hitze

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert