Dreifachhormon

Das mögliche ultimative Abspeckmittel

Ein Dreifachhormon könnte der Durchbruch für die langersehnte wirksame Therapie gegen Übergewicht sein. Forscher sind zuversichtlich - und bei Mäusen klappt's schon.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Hüftgold.

Hüftgold.

© Gina Sanders / fotolia.com

MÜNCHEN. Es senkt den Blutzuckerspiegel, bremst den Appetit und fördert die Kalorienverbrennung: Das Dreifachhormon, das Forscher um Dr. Brian Finan vom Helmholtz-Zentrum in München entwickelt haben, kann auf diese Weise wirkungsvoll das Körpergewicht um ein Viertel senken, vor eine Leberverfettung bewahren und die Cholesterinwerte im Lot halten - bisher allerdings nur bei Mäusen unter einer hochkalorischen diabetogenen Ernährung.

Die Münchener Forscher sind aber zuversichtlich, dass ihr Supereiweiß auch bei übergewichtigen Diabetikern Wunder wirkt, was sie natürlich erst noch in klinischen Studien beweisen müssen.

Inkretin- und Glucagonsystem im Fokus

Auch wenn klinische Daten noch ausstehen, innovativ ist der Ansatz allemal. Das Team um Finan hat ein Peptid gebastelt, das gleich an drei verschiedenen Punkten im metabolischen Netzwerk angreift, und zwar an den Rezeptoren für GLP-1 (Glucagon like Peptide 1), GIP (Gastric Inhibitory Peptide oder Glucose dependent Insulinotropic Polypeptide) und Glucagon.

GLP-1 und GIP gehören zum Inkretinsystem, sie werden in Gegenwart von Glukose im Darm freigesetzt und erhöhen die Sekretion von Insulin aus den Betazellen. Diese Ziele werden zum Teil jetzt schon in der Diabetestherapie angesteuert, aber nicht mit einem einzigen Wirkstoff.

Inkretin-Mimetika wie Exenatide und Liraglutid wirken als GLP-1-Analoga, DPP-4-Hemmer (Gliptine) bremsen den Abbau von GLP-1 und GIP und sorgen auf diese Weise für erhöhte Werte der beiden Inkretine. Von der zusätzlichen Aktivierung des Glucagon-Systems erhoffen sich die Wissenschaftler einen erhöhten Kalorienabbau.

Um ihren Dreifach-Agonisten herzustellen, verwendeten die Forscher Teile der natürlichen Aminosäuresequenz von GLP-1, GIP und Glucagon.

Zugute kam ihnen dabei, dass alle drei Hormone eine ähnliche Größe und Aminosäuren-Zusammensetzung aufwiesen, sodass sie ein Molekül kreieren konnten, das hochspezifisch an die Rezeptoren für alle drei Substanzen andocken kann. Diesen Triagonisten testeten sie schließlich im Tiermodell (Nature Medicine 2014, online 8. Deczember).

Überraschenderweise zeigten äquimolare Dosen des neuen Moleküls eine deutlich stärkere Wirkung auf den Glukosespiegel, das Körpergewicht und die Nahrungsaufnahme bei stark gemästeten Mäusen als eine Kombination der Einzelhormone oder ein dual wirksames synthetisches Hormon.

So konnte der Triagonist mit einem Zwanzigstel der Dosis das Gewicht ähnlich stark senken wie ein GLP-1/Glucagon-Koagonist.

In den Experimenten ging das Gewicht je nach Dosierung um über ein Viertel zurück. Weiterhin stellten die Forscher fest, dass die Glucagon-Komponente für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion erforderlich ist und vermutlich die Effekte der beiden Inkretin-Komponenten noch potenziert.

Weniger Fett in der Leber

Eine günstige Wirkung hatte der neue Wirkstoff auch an anderer Stelle: Cholesterinwerte und der Fettgehalt der Leber gingen deutlich zurück. Bei mageren Mäusen führte der Triagonist hingegen zu keiner Gewichtsabnahme und auch nicht zu Hypoglykämien.

Mit einer Langzeittherapie über elf Wochen gelang es den Wissenschaftlern, die adipösen Mäuse wieder auf ein normales Gewicht zu bringen, die erhöhten Blutzucker- und HbA1c-Wert drastisch zu senken und damit den Stoffwechsel ähnlich zu verbessern wie bei einer bariatrischen Op. adipöser Mäuse.

Da der Triagonist, um solche Wirkungen zu erzielen, in deutlich geringeren Konzentrationen verabreicht werden kann als Mono-Agonisten, versprechen sich die Forscher auch deutlich weniger Nebenwirkungen.

Vor allem Darmbeschwerden, wie sie unter der Therapie mit GLP-1-Analoga auftreten können, sollten damit der Vergangenheit angehören.

"Dieser aktuelle Durchbruch zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um bessere Therapien im Kampf gegen Fettleibigkeit und Diabetes zu designen", so Professor Matthias Tschöp, Leiter des Instituts für Diabetes und Adipositas am Helmholtz-Zentrum in einer Pressemitteilung.

"Der wichtigste nächste Schritt sind klinische Studien. Außerdem wollen wir weiter an personalisierten Therapiekonzepten arbeiten und versuchen, mit Kombinationsmolekülen aus vier, fünf oder mehr Hormonkomponenten den Stoffwechsel individuell noch effizienter zu programmieren."

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