Übergewicht bei Paaren

Gemeinsam in eine dicke Zukunft

Viele Paare werden nicht nur gemeinsam alt, sondern auch gemeinsam dick. Überschreitet einer der Partner die Grenze zur Fettleibigkeit, gibt es auch für den anderen oft kein Halten mehr.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Bei langjährigen Partnerschaften geht es mit dem Gewicht bei beiden häufig stark bergauf.

Bei langjährigen Partnerschaften geht es mit dem Gewicht bei beiden häufig stark bergauf.

© Marcin Smirnow / iStock / Thinkstock

BALTIMORE. Einen Adipösen trifft man in einer langjährigen Beziehung selten allein: Ist ein Partner dick, ist es häufig auch der andere.

Das liegt zum einen daran, dass sich übergewichtige Personen häufig Partner suchen, die ebenfalls einen beachtlichen Bauchumfang haben, zum anderen aber auch daran, dass sich in einer Beziehung die Lebensgewohnheiten mit der Zeit annähern.

Wenn einer über die Stränge schlägt, sich ungesund ernährt und sich wenig bewegt, tut es viel eher auch der andere.

Damit müsste man die Adipositasprävention und -behandlung eigentlich als Paarangelegenheit verstehen und beide Partner miteinbeziehen, geben Epidemiologen um Dr. Laura Cobb von der Johns Hopkins School of Public Health in Baltimore zu bedenken.

Gleiches gesellt sich zu Gleichem

Allerdings sei nach wie vor unklar, wie stark der eine Partner das Gewicht des anderen beeinflusse.

Die Forscher um Cobb haben nun versucht, anhand der prospektiven Kohortenstudie ARIC* diesen Zusammenhang besser zu durchleuchten (The ARIC Cohort Study. American Journal of Epidemiology, online 23. September 2015).

Sie konnten Angaben zu knapp 3900 Paaren auswerten, die bis zu 25 Jahre an der Studie beteiligt waren und sich in dieser Zeit nicht getrennt hatten.

Zu Beginn waren die Teilnehmer im Mittel 53 bis 55 Jahre alt, der BMI lag im Schnitt bei 27,5, fast ein Viertel war schon adipös, etwa ein Viertel rauchte, etwas mehr als die Hälfte trieb keinerlei Sport und ein Drittel ernährte sich ziemlich schlecht - solche Personen aßen praktisch kein Obst, kein Gemüse, keine Vollkornprodukte und keinen Fisch.

Bereits zu Studienbeginn zeigten sich zwischen den Partnern viele Gemeinsamkeiten: Weiße waren mit Weißen und Schwarze mit Schwarzen zusammen - es gab nur vier gemischte Ehen (0,1 Prozent).

Menschen mit guter Bildung hatten rund achtmal häufiger ihresgleichen als einen schlecht Gebildeten geehelicht, Raucher waren rund dreimal häufiger als Nichtraucher mit einem Raucher zusammen und Dicke etwa doppelt so häufig wie Normalgewichtige mit einem dicken Partner.

Mann zieht nach, Frau zieht nach

Bei 61 Prozent der Paare war zu Studienbeginn keiner von beiden adipös, bei 8 Prozent waren beide fettleibig.

Die Forscher interessierten sich nun vor allem für die Paare, von denen zu Beginn keiner der Partner einen BMI über 30 aufwies.

Wurde hier die Ehefrau im Laufe der Zeit adipös, so zog der Ehemann häufig nach: Die Adipositasinzidenz war bei den Ehemännern rund 80 Prozent höher als bei solchen mit einer Frau ohne dramatische Gewichtszunahme.

Ähnliches war im umgekehrten Fall zu beobachten: Wurde der Ehemann im Laufe der Studie fettleibig, so war die Adipositasinzidenz bei den jeweiligen Ehefrauen um 90 Prozent höher als bei Frauen mit einem durchgehend dünnbäuchigen Gatten.

Wenig überraschend war dieser Zusammenhang bei den Paaren am stärksten, in denen sich beide von Beginn an schlecht ernährten.

Abspecken hat kaum einen Einfluss auf den Partner

Was aber, wenn einer der beiden Partner bereits dick ist und dann erfolgreich abspeckt? Nach den Daten der ARIC-Studie hat dies kaum einen Einfluss auf das Gewicht des anderen Partners - sein Risiko, dick zu werden, nimmt dadurch nicht ab.

Lediglich bei Frauen, deren Männer abspecken, scheint das Adipositasrisiko etwas zu sinken, allerdings lässt die geringe Zahl der Paare, bei denen dies in der ARIC-Studie der Fall war, eine statistisch belastbare Beurteilung kaum zu.

Insgesamt spreche die Untersuchung jedoch dafür, dass sich Ärzte und Gesundheitsexperten bei der Adipositasprävention und -beratung nicht nur auf das jeweilige Individuum, sondern auch auf das familiäre Umfeld konzentrieren sollten, schreiben die Epidemiologen um Cobb.

Wenn es den Partnern gemeinsam gelinge, ungesunde Lebensweisen zu ändern und sich vor allem gesünder zu ernähren, seien die Chancen, eine Adipositas zu verhindern oder vielleicht sogar wieder loszuwerden, wohl deutlich größer.

*ARIC: Atherosclerosis Risk in Communities

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