Überraschende Fitness-Studie

Fett trotz App

Wer abnehmen will, kann wohl nicht auf Fitness-Tracker zählen. In einer Studie war der Gewichtsverlust mit der elektronischen Abnehmhilfe geringer als ohne die Technik.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Das Web-basierte Gerät meldet ständig Daten zum Energieverbrauch und zum Aktivitätslevel.

Das Web-basierte Gerät meldet ständig Daten zum Energieverbrauch und zum Aktivitätslevel.

© Artur Marciniec / fotolia.com

PITTSBURGH. Fitness-Tracker als Abnehmhilfe sind schwer im Kommen. Glaubt man einschlägigen Rezensionen im Internet, liefern die kommerziell erhältlichen intelligenten Armbänder "alle Tools, die du brauchst, um deine Kilos purzeln zu lassen" und bilden damit "die Essenz deines Abnehmplans".

Entweder am Arm oder am Handgelenk getragen, misst die schicke Sensewear mit ausgefeilter Mikrotechnologie Parameter wie Schritte, Aktivitätslevel, Herzfrequenz, Kalorienverbrauch und Schlafqualität.

Die Erwartungen der Nutzer sind – massiv geschürt durch Werbung – hoch. Mit welcher Effizienz die Geräte jedoch tatsächlich die Gewichtsreduktion unterstützen, wurde bislang in keiner Studie mit ausreichender Qualität getestet.

BMI zwischen 25 und 40

Die IDEA-Studie, im renommierten Fachblatt "JAMA" publiziert, wurde aufgelegt, um den Zusatznutzen eines Web-basierten Tracking-Devices bei jungen Erwachsenen mit Übergewicht in einem randomisierten Design zu untersuchen.

An der Studie nahmen 470 Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren teil, ihr BMI lag gemäß der Einschlusskriterien zwischen 25 und 40 (JAMA 2016; 316 (11): 1161–1171).

Alle Teilnehmer absolvierten in den ersten sechs Monaten nach Studienbeginn zunächst ein auf Verhaltensmaßnahmen basierendes Programm zur Gewichtsreduktion mit wöchentlichen Gruppensitzungen.

Nach einem halben Jahr wurde die Gruppe geteilt: Die Standardgruppe erhielt nun regelmäßig Telefonberatung, bekam Memos aufs Handy geschickt und konnte sich Infomaterial von einer Website herunterladen.

Die Sitzungen fanden bis zum Ablauf von insgesamt 24 Monaten noch einmal monatlich statt. Diese Gruppe sollte Ernährung und körperliche Aktivität mithilfe eines Tagebuchs, nach den ersten sechs Monaten dann auch mithilfe der Website, festhalten und regelmäßig mit einem Beraterteam besprechen.

Regelmäßig E-Mail- und Telefonkontakte

In der Gruppe mit der verstärkten Intervention war alles gleich, nur erfolgte das Monitoring hier über ein Web-basiertes Gerät (FIT Core; Body Media), das als Armband am Oberarm getragen wird.

Dieses meldet dem Nutzer über ein kleines Display oder auch per Computersoftware ständig Daten zum Energieverbrauch und zum Aktivitätslevel. Auch hier erfolgten regelmäßig E-Mail- und Telefonkontakte sowie Sitzungen mit dem Interventionsteam.

Primärer Endpunkt war die Gewichtsabnahme innerhalb von zwei Jahren. Wie John M. Jakicic von der University of Pittsburgh und sein Team berichten, kam es in beiden Gruppen zu einem signifikanten Gewichtsverlust. Dieser fiel jedoch zur allgemeinen Überraschung in der Gruppe mit Fitness-Tracker insgesamt signifikant geringer aus.

So war das Gewicht in der Gruppe derjenigen mit Gerät im Mittel von anfänglich 96,3 kg auf 92,8 kg nach zwei Jahren geschrumpft, das heißt ein mittlerer Verlust von 3,5 kg. Demgegenüber stand ein Verlust von im Mittel 5,9 kg (Ausgangsgewicht: 95,2 kg) in der Gruppe mit der Standardintervention.

Unterschiede signifikant

Einer Post-hoc-Analyse zufolge hatten die Teilnehmer beider Gruppen zwar in den ersten sechs Monaten prozentual etwa gleich stark abgenommen: Der Gewichtsverlust betrug zu diesem Zeitpunkt 9,4 Prozent für die Gruppe ohne und 8,4 Prozent für diejenigen mit Gerät.

Nach 12, 18 und 24 Monaten wurden die Unterschiede jedoch jeweils signifikant, der Gewichtsverlust lag nun bei 8,9 versus 7,0 Prozent, 7,9 versus 5,6 Prozent und 6,4 versus 3,6 Prozent.

Wie die Autoren betonen, unterschieden sich die Teilnehmer der beiden Gruppen ansonsten nicht signifikant, weder bezüglich Fettmasse und prozentualem Körperfettanteil noch im Hinblick auf die kardiorespiratorische Fitness.

Auch das Ausmaß der körperlichen Aktivität und die Energieaufnahme im Lauf der Studie waren in etwa gleich.

Standardintervention wichtig

Offenbar habe der Einsatz der Geräte nicht automatisch dazu geführt, dass sich die Teilnehmer besser an Ernährungs- und Aktivitätsempfehlungen hielten, resümieren die Forscher.

Dennoch habe man in beiden Gruppen deutlich mehr erreicht als in vorherigen Studien mit einer technologiebasierten Intervention, nämlich eine signifikante Verbesserung der Fitness und eine deutlich gesteigerte körperliche Aktivität sowie eine verbesserte Ernährung und Körperzusammensetzung.

Das Ergebnis mag für Fans der neuen Technologie enttäuschend sein; es zeigt jedoch auch die Bedeutung einer Standardintervention in einer Altersgruppe, in der sich dauerhaftes Übergewicht oder gar die Entwicklung einer Adipositas vielleicht noch verhindern lässt.

Zu klären bleibt, ob das Fitness-Tracking als alleinige Maßnahme übergewichtige Menschen zu einem gesünderen Lebensstil mit entsprechendem Effekt auf die überschüssigen Pfunde anhalten kann.

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