Mit Nadeln gegen Schniefen und Schneuzen

Die Zahl der Heuschnupfen-Kranken nimmt zu. Inzwischen ist jeder sechste Deutsche betroffen. Vor etwa 80 Jahren hat nur ein Prozent der Bevölkerung auf Pollen allergisch reagiert, heute sind es mehr als 16 Prozent. Bei einem Drittel der Patienten entwickelt sich ein Asthma. Eine gute Option, Heuschnupfen-Geplagten zu helfen, ist die Akupunktur, wie die Erfahrungen in einer Praxis für Sportmedizin und Naturheilverfahren belegen.

Von Paul Irawan Veröffentlicht:

Aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin handelt es sich bei Heuschnupfen (Pollinosis) in erster Linie um eine Störung des Funktionsbereiches der Lunge (orbis pulmonalis), der gleichzeitig die Körperoberfläche, Haut und Schleimhäute sowie den Nasenbereich repräsentiert.

Die ausgedehnte Augenbeteiligung (Reizkonjunktivitis) ist ein Zeichen dafür, daß der Funktionsbereich der Leber (orbis hepaticus) mitbetroffen ist. Der therapeutische Ansatz bei der Akupunktur besteht darin, diese beiden Funktionsbereiche zu stabilisieren und zu kräftigen.

Auch während der Pollensaison lohnt ein Akupunkturversuch

Früher wurde die Akupunkturtherapie beim Heuschnupfen möglichst schon sechs bis acht Wochen vor der Blütezeit empfohlen. Meiner Erfahrung nach ist der Versuch einer Therapie bei Pollenallergie auch während der Saison lohnenswert, da die Wirksamkeit der Nadeltherapie hier ebenfalls sehr hoch ist.

Im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit, insgesamt 48 Patienten, die an einer Pollinosis von Januar bis Oktober (allergisch gegen Frühblüher und Gräserpollen) litten, zu behandeln sowie im Frühjahr 2004 insgesamt 16 Blütenstauballergiker. Die Patientengruppe bestand aus 44 Frauen und 20 Männern (der jüngste Patient war zwölf, der älteste 53 Jahre alt).

Jede Behandlungsserie beinhaltete im Durchschnitt zehn Akupunktursitzungen innerhalb von vier bis sechs Wochen. Die Patienten erhielten eine kombinierte Ohr- und klassische chinesische Körperakupunktur. Die Nadeln waren pro Sitzung 30 Minuten lang in situ.

Die meisten Patienten kamen erst zur Akupunktur, weil die schulmedizinische Hyposensibilisierung erfolglos war oder eine Unverträglichkeit von Medikamenten (Antihistaminika, Steroide) vorlag. Die Akupunktur wurde bei 30 von 48 Patienten in 2003 und zehn von 16 Patienten in 2004 vor Einsetzen der Symptome gemacht.

Das Resultat bei 40 Patienten war nach zehn Akupunktursitzungen sehr gut. Durch die Nadeln wurde bei den Patienten eine fast völlige Beschwerdefreiheit erzielt.

Die übrigen 24 Patienten bekamen die Nadeltherapie während der Saison, also bereits nach Einsetzen der Symptome. Nach Beendigung der Therapie wurden diese 24 Patienten befragt. 18 der 24 berichteten von einer wesentliche Besserung (deutliche Abschwellung der Nasenschleimhaut, Rückgang des Nasensekretflusses und keine Konjunktivitis mehr).

Bei den übrigen ergab sich eine Besserung der Beschwerden, ohne daß sie Medikamente einnahmen. Nur ab und zu war die Nase nicht frei, es floß vermehrt Sekret oder es gab eine leichte Reizkonjunktivitis mit Tränenfluß.

An Akupunkturpunkten wurde bei den Patienten gestochen:

  • Am Körper: KG 15 und LG 19 zur Stabilisierung des vegetativen Nervensystems ("Bellergal-Wirkung"); B 23 und B 47 (Corticonpunkte); M 36 ("Göttlicher Gleichmut"); BIO und G 20 für den vegetativen Ausgleich, BIO wirkt auf Auge und Nase (Vaguspunkt), G 20 (Sympathikuspunkt); PdM und B 2 (rechts) sowie B 2 (links) (vorderes magisches Dreieck); Di 4, Di 20 und 3E 17 (Nasenpunkt); KS 6 zur Regulation des Kreislaufs; Lu 5 zur Stabilisierung des Funktionsbereichs der Lunge, Allergiepunkt
  • Am Ohr: Allergiepunkt, Tor der Götter "Shen Men"; "Antidepressiver Punkt; Point de Jerome (Schlafpunkt), Lungenpunkt (rechtes Ohr bei Rechtshändern).

Die Wirksamkeit der Akupunktur beruht bekanntlich auf vermehrter Ausschüttung von ß-Endorphinen und von körpereigenen Hormonen wie Kortikoiden und Serotoninen ("Glückshormone"). Glucokortikoide haben eine antientzündliche, antiallergische Wirkung und stimulieren das Immunsystem.

Bei und nach Nadelung waren alle Patienten ruhiger als zuvor

Die Akupunkturbehandlung wirkt psychisch sedierend, vitalisierend und vegetativ stabilisierend. Während und nach der Behandlung waren alle Patienten ruhiger, ausgeglichener und zufriedener als vor der Therapie.

Fazit: Die Akupunktur sollte aufgrund der von mir beobachteten Erfolge als alternative, schonende, nebenwirkungsfreie komplementäre Methode in das Therapiekonzept bei Pollinosis einbezogen werden, auch wenn meine Beobachtungen wegen der niedrigen Fallzahlen nicht repräsentativ sein können.

Dr. Paul Irawan ist Arzt für Sportmedizin und Naturheilverfahren aus 47495 Rheinberg

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