Erst die Nase, dann die Bronchien - Hyposensibilisierung kann Asthma verhindern

Weniger Symptome und vermutlich ein geringeres Asthma-Risiko haben Patienten mit Pollenallergie, die hyposensibilisiert werden. Kurzzeittherapien und sublinguale Therapien vereinfachen die Behandlung.

Ingrid KreutzVon Ingrid Kreutz Veröffentlicht:
Der Flug von Haselpollen hat bereits begonnen.

Der Flug von Haselpollen hat bereits begonnen.

© Foto: foto.fredwww.fotolia.de

Die spezifische Immuntherapie (SIT) zusätzlich zur symptomatischen Behandlung verringert bei Patienten mit Pollenallergie nicht nur die Beschwerden. Es mehren sich die Hinweise, dass dadurch auch das Asthmarisiko gemindert werden kann. In einer der Studien, die Anlass zu dieser Hoffnung geben, wurden 147 Kinder und Jugendliche nach Beginn einer SIT zehn Jahre nachbeobachtet. Sie hatten über drei Jahre eine subkutane Immuntherapie mit einem standardisierten Extrakt eines Gras- oder Birkenpollenallergens oder nur eine symptomatische Therapie erhalten. Mit der SIT hatten sich nicht nur die allergischen Symptome signifikant und kontinuierlich bis zum siebten Jahr nach Therapieende im Vergleich zu anderen Therapien gebessert. In der SIT-Gruppe entwickelten auch weniger Kinder Asthma: 16 von 64 Kindern, die zu Therapiebeginn noch ohne die Atemwegserkrankung waren; in der Vergleichsgruppe waren es 24 von 53 Kindern (Allergy 62, 2007, 943).

Allergie-Symptome werden wesentlich reduziert

"Diese Daten sind immerhin ein Hinweis darauf, dass eine SIT offenbar den Etagenwechsel verhindert, aber sie sind mit Vorsicht zu genießen", sagt Professor Gerhard Schultze-Werninghaus aus Bochum. Es handele sich nämlich um eine offene Studie, also ohne richtige Kontrollgruppe. Es gebe aber Hinweise aus weiteren Studien für einen präventiven Effekt der SIT, sagte der Allergologe zur "Ärzte Zeitung".

Auch wenn der endgültige Beweis eines präventiven Nutzens der SIT noch aussteht, ist zu bedenken, dass eine Immuntherapie die oft starken Beschwerden der Heuschnupfen-Patienten wesentlich reduziert im Vergleich zur rein symptomatischen Therapie. Daher hält Schultze-Werninghaus es für sinnvoll, wenn Schulkindern mit Pollenallergie grundsätzlich eine SIT angeboten wird. Dasselbe gelte auch für Erwachsene, die etwa wegen einer Gräserpollenallergie zusätzlich zu Antihistaminika länger als drei bis vier Wochen pro Jahr nasale Kortikoide benötigen.

Immuntherapie jetzt auch bei älteren Patienten

Das Alter der Patienten ist bei einer SIT nach neuen Studiendaten nicht mehr maßgeblich. Schultze-Werninghaus: "Die Immuntherapie ist auch bei Patienten über 50 Jahre erfolgversprechend, zumal immer mehr Patienten eine Pollenallergie erst in höherem Alter entwickeln."

Das Therapiespektrum bei einer SIT ist mittlerweile sehr breit. Es reicht von der klassischen subkutanen Therapie über die Kurzzeittherapie und die Therapie mit verkürzter Aufdosierung bis hin zur sublingualen Behandlung mit Tropfen oder Tabletten. "Selbst Patienten, die etwa aus beruflichen Gründen wenig Zeit haben für Arztbesuche, und solche, die Angst vor Spritzen haben, können jetzt eine Immuntherapie erhalten", so der Bochumer Pneumologe.

Mehr Infos zur spezifischen Immuntherapie unter http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/ll/061-004.htm sowie zum Pollenflug unter: www.pollenstiftung.de

Hilfe bei Regressforderungen

Entwarnung, was Regressforderungen an Kollegen betrifft, die Patienten eine SIT angeboten haben: "Nachdem sich die allergologischen Fachgesellschaften mit Nachdruck für die betroffenen Kollegen eingesetzt haben, konnte bislang ein Großteil der laufenden Prüfverfahren eingestellt werden", teilt Professor Ludger Klimek vom Ärzteverband Deutscher Allergologen (Allergo J 18, 2009, 2) mit.

Zu den Regressforderungen war es gekommen, weil einige Prüfgremien, besonders in Hessen, Aussagen der S2-Leitlinie zur SIT in der Art interpretiert hatten, dass nicht zugelassene Präparate unwirtschaftlich seien und der medizinische Nutzen nicht erwiesen sei. Diese Interpretation sei willkürlich und sachlich falsch, so Klimek.

Eine Entschärfung der Problematik versprechen sich die Allergologen von der durch den Gesetzgeber neu geregelten Therapieallergene-Verordnung. Darin ist die arzneimittelrechtliche Zulassung für alle SIT-Produkte vorgeschrieben, die häufig verwendete Allergene enthalten. Dazu gehören etwa die Allergene von Süßgräsern und frühblühenden Bäumen. Hierfür muss künftig immer ein Zulassungsverfahren eingeleitet werden, in dem Produktqualität, präklinische Daten sowie in doppelblinden, placebokontrollierten Studien erhobene Daten zu Wirksamkeit und Verträglichkeit durch das Paul-Ehrlich-Institut geprüft werden. (ikr)

http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2177.pdf

Lesen Sie dazu auch: Höchste Zeit fürs Impfen gegen Birken- und Graspollen

Mehr zum Thema

Allergen-spezifische Immuntherapie

Zu viele Insektengiftallergien unbehandelt

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Neues Allergiezentrum am UKSH in Kiel

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen