Mehr Immuntoleranz, weniger Allergien

Allergien lassen sich verhindern oder zumindest deren Symptome verringern, indem das Immunsystem der Betroffenen tolerant gegen Allergene gemacht wird. Darauf gibt es immer mehr Hinweise.

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Allergieprävention: Ab dem 5. Lebensmonat sollte nicht mehr ausschließlich gestillt werden.

Allergieprävention: Ab dem 5. Lebensmonat sollte nicht mehr ausschließlich gestillt werden.

© dron / fotolia.com

MÜNCHEN (wst). Auf der Suche nach neuen Strategien zur Prävention und Behandlung bei Allergien gerät zunehmend das "Toleranzsystem" ins Visier der Forschung. Immunologische Testreihen haben gezeigt, dass unterschiedlichste Allergene nicht nur vom Immunsystem dagegen allergischer Probanden sondern auch von dem Gesunder zuverlässig erkannt werden. Das hat Professor Tilo Biedermann aus Tübingen während der 22. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München berichtet.

Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen Allergikern und Gesunden: Das Immunsystem von Allergikern setzt bei entsprechendem Allergenkontakt eine überschießende Abwehrkaskade in Gang. Das Immunsystem der Gesunden bleibt hingegen stumm; es kann verschiedene Toleranzfaktoren freisetzen, die eine Abwehrreaktion unterdrücken. Das Immunsystem Gesunder zeichnet sich also nicht durch eine passive Ignoranz potenzieller Allergene aus, sondern durch eine Toleranz.

Epidemiologische Studien weisen darauf hin, dass eine solche Toleranz bereits pränatal und im ersten Lebensjahr auch durch Konfrontation mit unterschiedlichsten Allergenen erworben wird. So hatte eine dieser Studien ergeben, dass bei Kindern, die auf Bauernhöfen mit Stalltierhaltung aufgewachsen sind, die Allergieprävalenz signifikant reduziert ist.

Nicht weitestgehende Allergenkarenz, sondern eher eine Allergenexposition zum richtigen Zeitpunkt scheint Menschen vor Allergien zu schützen. Praktische Konsequenz solcher Überlegungen ist auch, dass etwa in der aktuellen S3-Leitlinie zur Allergieprävention die Meidung potenter Nahrungsmittelallergene in Schwangerschaft und Stillzeit nicht mehr empfohlen wird und auch die Zeit ausschließlichen Stillens auf vier Monate verkürzt wurde.

Dass sich das Toleranzsystem auch noch in späteren Lebensjahren umprägen lässt, zeigen die Erfolge der Hyposensibilisierung, so Biedermann. Was die Impfung für das Abwehrsystem, scheint die Hyposensibilisierung für das Toleranzsystem zu sein. Und wie das eine, benötigt eventuell auch das andere der regelmäßigen rechtzeitigen Boosterung für einen dauerhaften Erfolg. Erste Studien zum optimalen Zeitpunkt und Procedere für Auffrischhyposensibilisierungen sind angelaufen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Allergieprävention à la Naturvolk

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