Heuschnupfen

Mit Symptomen nicht ans Steuer!

Heuschnupfensymptome können die Fahrtüchtigkeit deutlich herabsetzen. In einer Studie wirkten sich Triefnase und tränende Augen in Belastungssituationen ebenso negativ aus wie ein Alkoholpegel von 0,5 Promille.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Allergiesymptome wirken sich am Steuer ebenso negativ aus wie ein Alkoholpegel von 0,5 Promille.

Allergiesymptome wirken sich am Steuer ebenso negativ aus wie ein Alkoholpegel von 0,5 Promille.

© zstock / fotolia.com

MAASTRICHT. Wer sich in Deutschland mit einem Blutalkoholspiegel von 0,5 Promille hinters Steuer setzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Monat Fahrverbot, einem Bußgeld von 500 Euro und zwei Punkten in Flensburg geahndet wird.

Auf die Idee, einen Fahrzeuglenker mit Heuschnupfen ebenso empfindlich zu belangen, nur weil er vergessen hat, seine Medikamente zu nehmen, ist bislang noch niemand gekommen; dabei wäre das niederländischen Autoren zufolge durchaus naheliegend.

"Eine unbehandelte allergische Rhinitis kann die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen und die Patienten gefährden", warnen Dr. Eric Vuurmann, Psychologe an der Universität Maastricht, und sein Team.

Die Forscher hatten 19 Pollenallergiker außerhalb der Allergiesaison zu einem einstündigen Fahrtest antreten lassen (Allergy 2014, online 9. Mai). Alle wurden unter verschiedenen Konditionen getestet: mit oder ohne vorherige nasale Provokation durch eine standardisierte Pollenlösung (10.000 BU/ml Allergen) sowie mit oder ohne lokale oder systemische Behandlung (Fluticasonfuroatspray oder Cetirizin). Nach der Provokation blieben die Patienten zunächst für eine Stunde unter Beobachtung, um sich dann direkt zum Fahrtest zu begeben.

Die Teilnehmer wurden gebeten, bei einer Geschwindigkeit von 95 km/h einen 100-km-Parcours zu absolvieren. Jede Abweichung von der Fahrspur wurde mithilfe einer auf dem Autodach montierten Kamera registriert. Der Test ist nach Angaben der Autoren validiert und hat sich bereits im Zusammenhang mit Alkohol, sedierenden Medikamenten oder Schlafmangel bewährt.

Häufig wird Multitasking abverlangt

Wie die Forscher berichten, zeigt der Test klar, dass sich die allergische Rhinitis per se auf das Fahrverhalten auswirkt. Unbehandelte Patienten kamen nach Allergenprovokation im Schnitt um 2,07 cm stärker von der Fahrbahn ab als ohne Provokation. Schon 15 Minuten nach Instillation der Pollenlösung hatten sich bei den Fahrern deutliche Symptome eingestellt, die sie offenbar daran hinderten, auf Spur zu bleiben.

Verschärfte man die Übung durch einen zusätzlichen mündlichen Gedächtnistest, wurden die Unterschiede noch deutlicher: Die "Schlenker" waren jetzt im Schnitt um 2,35 cm stärker als unter Placebobedingungen; den Forschern zufolge entspricht dies einem Blutalkoholspiegel von 0,5 Promille.

Unter Behandlung nahmen die Spurabweichungen deutlich ab, und zwar sowohl unter dem oralen Antihistaminikum als auch nach Einsatz des kortikoidhaltigen Nasensprays. Die "provozierten" Teilnehmer konnten das Fahrzeug nun ebenso gut kontrollieren wie ohne Allergenbelastung.

Allerdings hatte die Cetirizingruppe offenbar deutliche Schwierigkeiten, wenn der Gedächtnistest hinzukam. Vuurmann und Kollegen erklären das mit der leicht sedierenden Wirkung der oral verabreichten Substanz. Mit dem Nasenspray zeigte sich dieser Effekt nicht. Dass neuere Antihistaminika die Fahrtauglichkeit ebenfalls beeinträchtigen, sei damit nicht gesagt.

Nach Vuurmann und seinen Kollegen wird Autofahrern im Straßenverkehr sehr oft ein "Multitasking" abverlangt. Unter diesen Bedingungen müsse man davon ausgehen, dass eine unbehandelte Allergie die Betroffenen ebenso beeinträchtige wie ein Alkoholpegel von 0,5 Promille.

Der Appell der Forscher an die Ärzte: Diese sollten ihre Patienten auf das Risiko hinweisen, das sie eingehen, wenn sie ihre Medikamente nicht nehmen.

Mehr zum Thema

Verordnung nicht zugelassener Allergene

Regress wegen Therapieallergenen? BAS lässt Kassen freie Hand

Allergiezeit dehnt sich aus

Pollensaison immer länger und intensiver

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Ambulantisierung

90 zusätzliche OPS-Codes für Hybrid-DRG vereinbart

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System

Lesetipps
Der Patient wird auf eine C287Y-Mutation im HFE-Gen untersucht. Das Ergebnis, eine homozygote Mutation, bestätigt die Verdachtsdiagnose: Der Patient leidet an einer Hämochromatose.

© hh5800 / Getty Images / iStock

Häufige Erbkrankheit übersehen

Bei dieser „rheumatoiden Arthritis“ mussten DMARD versagen