Allergiker

Können Pollen Herzinfarkte auslösen?

Pollenflug könnte ein Risiko für Herzkranke mit Allergien sein, meinen kanadische Forscher. Sie fanden an Tagen mit starker Pollenbelastung eine erhöhte Herzinfarktrate.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:

OTTAWA. Dass eine allergische Reaktion einen Myokardinfarkt auslösen kann, ist bekannt. Das Phänomen wird als Kounis-Syndrom bezeichnet. Bislang wurde das Syndrom vor allem in Zusammenhang mit Reaktionen auf Insektenstiche, Nahrungsmittel und Medikamente beschrieben.

Kanadische Wissenschaftler haben jetzt aber Hinweise gefunden, dass auch Pollen möglicherweise Infarkte auslösen könnten. Tage mit starkem Pollenflug (> 95 Pollenkörner pro m3 Luft) waren dabei im Vergleich zu Tagen mit schwacher Belastung (= 22 Körner/m3) mit einem um 5,5 Prozent erhöhten Infarktrisiko verbunden (American Journal of Epidemiology 2016, online 1. März).

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler Daten von Patienten analysiert, die in Monaten mit möglichem Pollenflug wegen eines Herzinfarkts eine Notaufnahme aufgesucht hatten.

Die Informationen stammten dabei aus einem zentralen Register von sechs Städten der kanadischen Provinz Ontario: 17.960 der Einwohner hatten zwischen 2004 und 2011 in den Monaten April bis Oktober einen Infarkt gehabt.

Stärkste Assoziation im Mai und Juni

In diesen Städten war außerdem täglich die Belastung der Luft durch Pollen und Schimmelpilzsporen dokumentiert worden. Die Forscher schauten nun, ob die Pollen-Belastung an den Infarkt-Tagen höher als an anderen Tagen gewesen war.

Jeder der Infarktpatienten diente dabei als seine eigene Kontrolle. Der Tag des Ereignisses, zum Beispiel Dienstag, der 4. Mai 2010, galt als "Fall"-Zeitraum, die anderen Dienstage in diesem Monat wurden als "Kontroll"-Zeitraum definiert und die Pollenbelastung an jedem dieser Tage ausgewertet.

Ergebnis: Das Myokardrisiko war besonders an Tagen mit vermehrtem Pollenflug erhöht. Dabei stieg mit der Pollenkonzentration in der Luft auch die Herzinfarktrate linear an.

Bei Gräserpollen war schon bei mittlerer Belastung ein erhöhtes Infarktrisiko festzustellen. Die stärkste Assoziation zwischen Pollenflug und Infarkten zeigte sich in den Monaten Mai und Juni.

Studie mit Manko

Die Beziehung war unabhängig von der Luftverschmutzung durch Feinstaub, der ja nachweislich auch kardiovaskuläre Ereignisse triggern kann. Die Konzentration von Schimmelpilzsporen in der Luft war hingegen nicht mit einem erhöhten Infarktrisiko verknüpft.

Laut den Studienautoren um Dr. Scott Weichenthal von Health Canada in Ottawa könnte der beobachtete Zusammenhang für kardiovaskulär vorbelastete Patienten mit Pollenallergie besonders relevant sein.

Ein Manko der Studie besteht allerdings darin, dass bei den Infarktpatienten keine Angaben zu Allergien vorlagen. Anstelle einer Pollenallergie könnte eine Allergie durch die Anwendung von Medikamenten (etwa Pseudoephedrin) zum Auftreten von Infarkten beigetragen haben.

Biologisch plausibel ist jedoch auch die direkte Verbindung zwischen Pollenallergie und Herzinfarkt: Durch Mastzellaktivierung und Freisetzung von Histamin kann offenbar sowohl ein akuter Koronarspasmus als auch eine Plaqueruptur ausgelöst werden, so die Forscher.

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