Sauber blasen

Der Tod kam aus dem Dudelsack

Musiker sollten Blasinstrumente öfter gründlich desinfizieren - sonst können sich darin allergene Pilze vermehren. Vor allem das dunkelfeuchte Innere eines Dudelsacks scheint dafür prädestiniert. Einem Briten wurde das zum Verhängnis.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Lungenkranker Dudelsackspieler? Dann lohnt es sich, in Mundstück, Pfeifen und Sack nach möglichen Allergenen zu fahnden.

Lungenkranker Dudelsackspieler? Dann lohnt es sich, in Mundstück, Pfeifen und Sack nach möglichen Allergenen zu fahnden.

© emeraldphoto / fotolia.com

WYTHENSHAWE. Was immer den 61-jährigen Mann dazu bewogen hat, täglich auf seinem Dudelsack zu spielen, er hätte es besser nicht getan. Dann wäre er wohl noch am Leben. Auch eine gründliche Reinigung des Instruments hätte ihn vor dem vorzeitigen Tod bewahren können. Leider ist niemand auf die Idee gekommen, dass die Ursache für sein Lungenleiden etwas mit seiner Passion zu tun haben könnte.

Als Ärzte um Dr. Jenny King den Mann im September 2014 in die Klinik in Wythenshawe nahe Manchester aufnahmen, war es bereits zu spät: Die Lungenfunktion verschlechterte sich zusehends, nach sechs Wochen starb der Patient (Thorax 2016, online 22. August). Als Ursache erkannten sie eine akute Exazerbation einer Hypersensitivitäts-Pneumonitis. Was jedoch die Erkrankung auslöste, war zunächst noch unklar.

Mysteriöse Allergenquelle

Die Leidensgeschichte des Mannes begann sieben Jahre zuvor mit trockenem Husten und progressiver Kurzatmigkeit. Bereits fünf Jahre vor seinem Tod erkannten die Ärzte anhand der Symptome und durch hochauflösende CT-Aufnahmen eine Hypersensitivitäts-Pneumonitis als Ursache der Beschwerden, konnten jedoch die Allergenquelle nicht finden.

Die im deutschen Sprachraum auch als exogen-allergische Alveolitis bezeichnete Erkrankung wird in der Regel von inhalierten Allergenen aus Schimmel, Vogelfederstaub, Bakterien oder Arzneimitteln verursacht. Dabei kommt es zu einer Entzündung des interstitiellen Gewebes der Lungenalveolen, die klinisch an eine Pneumonie erinnert.

In der Wohnung des Mannes gab es jedoch keinen Schimmelpilzbefall, Wasserschäden waren nicht bekannt und mit Vögeln hatte der Brite keinen Kontakt. Dass er täglich Dudelsack spielte, hatte er wohl angegeben, doch die Ärzte schöpften zunächst keinen Verdacht.

Trotz einer immunsuppressiven Behandlung verschlechterten sich seine Lungenfunktion und seine körperliche Leistungsfähigkeit immer mehr - mit einer Ausnahme: 2011 reiste er für drei Monate ohne Dudelsack nach Australien, in dieser Zeit verbesserte sich sein Zustand deutlich - er konnte wieder mühelos 10 km ohne Pausen am Strand spazieren gehen.

Wieder zuhause ging es jedoch weiter rapide bergab. Die forcierte exspiratorische Vitalkapazität (FVC) sank von 56 Prozent im Jahr 2009 auf noch 34 Prozent im Frühjahr 2014. Zu diesem Zeitpunkt konnte er gerade noch 20 Meter ohne Pausen laufen. Trotzdem verzichtete er auf eine Sauerstoffbehandlung. Die Ärzte verordneten Azathioprin und Prednisolon. Der Mann blies weiterhin jeden Tag unbekümmert auf seinem Dudelsack.

Bunter Pilzmix im Instrument

Während seines finalen Klinikaufenthalts ein halbes Jahr später beobachteten die Ärzte um King nur gering erhöhte Werte von Entzündungsmarkern, im Sputum waren allenfalls Spuren von Candida vorhanden. Die Ärzte tippten zunächst auf eine atypische Pneumonie auf Basis der Alveolitis und behandelten den afebrilen hypoxischen und extrem kurzatmigen Mann mit Antibiotika und Posaconazol. Letztlich ergaben diverse Laboruntersuchungen und Kulturen jedoch keine Hinweise auf eine Infektion mit Bakterien, Viren oder Pilzen.

Auf der verzweifelten Suche nach einem Erreger nahmen sie dieses Mal auch den Dudelsack genauer unter die Lupe und legten Kulturen aus Abstrichen von Mundstück, Pfeifen und Sack an.

Praktisch überall fanden sie diverse, zum Teil hochallergene Pilze: Im Sack dominierten vor allem Rhodotorula, Penicillinum und Fusarium, in den Pfeifen wucherte auch Trichosporon und im Mundstück ließ sich eine bunte Mischung dieser und weiterer Keime nachweisen. Einige davon waren auch schon bei anderen Patienten als Auslöser einer exogenallergischen Alveolitis aufgetreten.

Die Ärzte um King fanden in der Literatur weitere Fälle solcher Erkrankungen bei Musikern. So konnten bei Saxophonisten Candida und Ulocladium botrytis in den Instrumenten als wahrscheinliche Auslöser der Lungenerkrankung identifiziert werden. Bei einem Posaunenspieler verschwanden die Symptome, nachdem er das Instrument regelmäßig mit Isopropanol desinfizierte. Genau das schlagen die Ärzte um King generell Blasmusikern zur Prävention dieser seltenen Erkrankung vor.

Für Ärzte wäre es wichtig, bei Alveolitis-Patienten öfter nach den Hobbies zu fragen. Falls diese wie bei Blasmusikern einen besonderen Einsatz der Lunge benötigen, sollte der Verdacht eigentlich nicht allzu fernliegen.

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