Leitliniengerechte Therapie - das ist für jeden zweiten Asthmatiker bisher nur Theorie

Die erst vor kurzem aktualisierte Nationale Versorgungsleitlinie zu Asthma bronchiale soll die Behandlung der Betroffenen vereinfachen und verbessern. Das ist aktuellen Studiendaten zufolge auch dringend notwendig.

Ingrid KreutzVon Ingrid Kreutz Veröffentlicht:
Asthmatiker mit akuter Atemnot. © Marin Conic / www.fotolia.de

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Epidemiologen und Pneumologen haben Studiendaten analysiert, die die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns zwischen April 2005 und März 2006 erhoben hat (Allergy 2010; 65: 347). Danach war bei 601 222 GKV-Versicherten in Bayern bei Abrechnungen mit der KV mindestens einmal die Diagnose "Asthma" aufgeführt. Berücksichtigt wurden bei der Analyse zur Sicherheit jedoch nur diejenigen 483 051 Patienten, bei denen diese Diagnose mindestens zweimal innerhalb von 2,5 Jahren angegeben worden war. Das waren 4,6 Prozent aller GKV-Versicherten. Die Arzneimittelversorgung der Patienten wurde anhand von Belegen aus den Apotheken ermittelt. Insgesamt 68 Prozent der Patienten wurden von Hausärzten, Internisten und Pädiatern betreut.

Inhalative Kortikoide relativ selten eingesetzt

Die wesentlichen Ergebnisse: 186  217 (39 Prozent) der insgesamt 483 051 Asthmatiker hatten während des Beobachtungsjahres überhaupt keine Asthma-Medikamente erhalten. Und von den 296 834 Patienten mit Medikation bekamen mehr Patienten lang wirksame (40 Prozent) und kurz wirksame (66 Prozent) Beta-2-Mimetika als inhalative Kortikoide (60 Prozent). Nahezu fünf Prozent erhielten nur lang wirksame Beta-2-Mimetika (LABA), 25 Prozent nur inhalative Kortikoide (ICS) und 35 Prozent eine Kombination aus LABA plus ICS. Eine weitere traurige Botschaft: Von den Patienten, die Asthmamittel bekamen, erhielten die meisten (65  Prozent) während des Studienjahres nicht mehr als 90 Tagesdosen eines Medikaments zur langfristigen Asthmakontrolle. Die Mittel reichten also nur für ein Quartal. Außerdem: Nur 53 Prozent der Patienten wurden leitliniengerecht behandelt.

Die neuen Studiendaten bestätigen die Ergebnisse früherer Studien. So hatte die europäische AIRE-Studie bereits im Jahre 1999 ergeben, dass vor allem Patienten mit höhergradigem Asthma zu selten ICS verwendeten. Dies wurde als einer der Gründe dafür gewertet, weshalb bei etwa jedem zweiten Patienten die schweren Asthma-Symptome weiter fortbestanden (Eur Respir J 2000; 16: 802). Auch für Jugendliche in Deutschland wurde diese Beobachtung bestätigt.

US-Studie bestätigt Unterversorgung

Rückendeckung gibt es für die deutschen Autoren auch, was den geringen Anteil der erhaltenen Tagesdosen an sogenannten Controller-Medikamenten pro Jahr betrifft. In der deutschen Studie hatten nicht mehr als ein Prozent der Patienten genügend Medikation zur langfristigen Asthmakontrolle für das ganze Jahr aus der Apotheke abgeholt. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren US-Forscher in einer Studie gekommen (J Allergy Clin Immunol 2006; 118: 899).

Aktualisierte Leitlinie vereinfacht die Behandlung

Eine bessere Asthmakontrolle erhoffen sich Experten von der aktualisierten Nationalen Versorgungsleitlinie. Sie soll die Behandlung von Asthmatikern künftig erleichtern. Die Therapie richtet sich danach jetzt nicht mehr nach dem Schweregrad der Erkrankung, sondern nach deren Kontrolle, wie es bereits seit längerem in internationalen Asthma-Leitlinien empfohlen wird. Anhand von sechs Kriterien, zum Beispiel den Symptomen tagsüber und der Lungenfunktion, lässt sich rasch beurteilen, ob die Krankheit ausreichend im Griff ist oder eine Intensivierung der Therapie erforderlich ist.

Die Intensivierung, aber auch umgekehrt die Lockerung der Therapie erfolgt gemäß der NV-Leitlinie in fünf Stufen mit entsprechenden Empfehlungen zur Medikation. Für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche gibt es weiterhin unterschiedliche Empfehlungen zur Therapie. Für alle Asthma-Patienten wird nach wie vor eine Bedarfsmedikation mit rasch wirksamen Beta-2-Mimetika empfohlen und - wenn das nicht genügt - eine Dauertherapie zur langfristigen Krankheitskontrolle. An erster Stelle stehen hier inhalative Steroide.

Die neue Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) zu Asthma ist abrufbar auf: www.versorgungsleitlinien.de/themen/asthma/pdf/nvl_asthma_lang.pdf

  • Symptome tagsüber: höchstens zweimal pro Woche
  • Einschränkungen von Aktivitäten im Alltag: keine
  • Nächtliche/s Symptome/Erwachen: kein/e
  • Einsatz einer Bedarfsmedikation/Notfalltherapie: höchstens zweimal pro Woche
  • Lungenfunktion (FEV1 oder PEF): normal
  • Exazerbationen: keine

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Asthmakontrolle lohnt sich doppelt

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