Asthma und COPD haben viel gemeinsam

Ist die Differenzierung von Asthma und COPD für die Behandlung und Prognose der Patienten tatsächlich von großer Bedeutung? Darüber wird diskutiert.

Von Abdol Ameri Veröffentlicht:
Spirometrie: Die Lungenfunktion ist derzeit wichtigstes Kriterium zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs.

Spirometrie: Die Lungenfunktion ist derzeit wichtigstes Kriterium zur Beurteilung des Krankheitsverlaufs.

© Klaro

BARCELONA. Mittlerweile ist klar: Asthma und die chronisch-obstruktive Lungenkrankheit (COPD) weisen erhebliche pathophysiologische und symptomatische Überschneidungen auf. Die strikte Differenzierung könnte einem optimalen Krankheitsmanagement deswegen eher im Wege stehen, so der Tenor eines Symposiums beim Kongress der European Respiratory Society.

Asthma und COPD - Tipps zur Diagnostik

Die Morbidität bei komplexen Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD kann durch einen oder mehrere der folgenden Faktoren - in individuell unterschiedlichem Ausmaß - bedingt sein:

• Bronchiale Hyperreagibilität

• Bronchitis (eosinophile oder neutrophile Inflammation)

• Hypersensitivität des Hustenreflexes

• Schädigungen der Atemwege

• Extrapulmonale Faktoren

Bislang ist man davon ausgegangen, dass die Differenzierung von Asthma und COPD für die Behandlung und Prognose der Patienten von großer Bedeutung ist. Diese Auffassung sei aber heute nicht mehr vertretbar und stelle sich einer adäquaten Therapie der Betroffenen entgegen, berichtete Professor Ian Pavord aus Leicester in Großbritannien.

Im Gegensatz zu anderen Erkrankungen wie Tuberkulose oder zystische Fibrose, die eindeutig die zugrundeliegende Pathophysiologie widerspiegeln, lassen sich Asthma und COPD nicht durch einen einzelnen definierten pathogenetischen Prozess erklären. Stattdessen sind beide Krankheitsbilder durch eine komplexe Pathogenese und vielschichtige klinische Phänotypen charakterisiert.

FEV1 - ein überschätzter Surrogatmarker?

Daher sei unklar, ob es sich wirklich um verschiedene Erkrankungen mit gemeinsamen Eigenschaften handele oder um ein und dieselbe Erkrankung mit heterogenem Erscheinungsbild, so Pavord. Außerdem könne ein nicht bekannter Anteil der Patienten kaum eindeutig zugeordnet werden, da sie sowohl an Asthma als auch an COPD leiden.

Die aktuellen Leitlinien machen eine deutliche Unterscheidung und empfehlen, Asthmapatienten früh und aggressiv mit Kortikosteroiden zu behandeln, COPD-Patienten hingegen erst spät. Diese Betrachtungsweise führe aber zu einem irrationalen Gebrauch von Steroiden und könne sogar die Entwicklung neuer Wirkstoffe gefährden, kritisierte der Experte.

Zudem werde eine Veränderung der Ein-Sekunden-Kapazität (FEV1) überbewertet. "Wir können nicht davon ausgehen, dass sich aus einem verbesserten FEV1-Wert tatsächlich auch auf ein verbessertes Patienten-Outcome schließen lässt. Es scheint, dass wir mit unserem wichtigsten Surrogatmarker den gleichen Fehler machen wie die Diabetologen mit dem HbA1c", warnte Pavord.

Kortikosteroide haben nur marginale Effekte auf die Lungenfunktion von COPD-Patienten. Dagegen gebe es jedoch überzeugende Evidenz für eine gute Wirkung bei eosinophiler Inflammation, was die Notwendigkeit eines phänotypspezifischen Einsatzes von Steroiden unterstreiche.

Nach der Auffassung von Pavord sollte bei Patienten mit schweren und komplexen Atemwegserkrankungen das individuelle Profil der pathophysiologischen Veränderungen so genau wie möglich bestimmt werden. Eine unangemessene Gewichtung der Lungenfunktion führe dazu, dass andere Faktoren wie etwa eine chronische Entzündung, ein verstärkter Hustenreflex, Schädigungen der Atemwege und extrapulmonale Faktoren nicht ausreichend beachtet würden.

Ein besserer Ansatz für die Beschreibung der komplexen Beschwerden bei Asthma und COPD setze voraus, beide Erkrankungen als eine Mischung von unabhängigen pathophysiologischen Veränderungen zu betrachten, die durch endogene Faktoren und schädliche Umgebungseinflüsse wie Allergene, Zigarettenrauch, Infektionen oder Luftverschmutzung ausgelöst werden können.

Die auslösenden Faktoren und die dadurch bedingten physiologischen Veränderungen können zu verschiedenen Mustern einer Atemwegsentzündung führen, die sich nach Auffassung des britischen Experten mit einem einfachen Klassifizierungssystem erfassen lassen.

Einfluss extrapulmonaler Faktoren im Blick

Dieses System berücksichtige die Vielfalt der klinischen Erscheinungsformen von Atemwegserkrankungen. Es unterstütze die Analyse der den jeweiligen Symptomen zugrundeliegenden Mechanismen und beziehe auch den Einfluss extrapulmonaler Faktoren auf die Symptomatik mit ein.

Jeder der fünf Faktoren kann unabhängig von den anderen auftreten, remittieren oder im Verlauf hinzukommen und weist sein eigenes genetisches, immunologisches und molekulares Profil auf. Einen besonderen Vorteil dieser Checkliste sieht Pavord bei Patienten mit schweren Erkrankungen, und sie könne die Grundlage für die Entwicklung neuer spezifischer Therapien für die betroffenen Patienten sein. (MUC)

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