COPD

CO2-Absenkung bessert Langzeitüberleben

Stabile COPD-Patienten mit Hyperkapnie, die effektiv nicht-invasiv beatmet werden, haben einen Überlebensvorteil. Dieser Nachweis gelang jetzt erstmals einer Studie.

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Nicht-invasive Beatmung bei COPD kann das Leben verlängern.

Nicht-invasive Beatmung bei COPD kann das Leben verlängern.

© Mathias Ernert, Universitäts-HNO-Klinik Mannheim

HANNOVER. Eine Studie aus 36 deutschen und österreichischen Zentren untersuchte den Stellenwert der nicht-invasiven Beatmung (non-invasive ventilation, NIV) bei COPD-Patienten mit chronischer Hyperkapnie (Lancet Respir Med 2014;9:698-705).

Eingeschlossen wurden Patienten, bei denen in einer stabilen Krankheitsphase mindestens ein Kohlenstoffpartialdruck (PaCO2) von 7,0 kpa (51,8 mmHg) vorlag. 102 Patienten wurden in eine NIV- und 93 in eine Kontrollgruppe randomisiert. In der Interventionsgruppe brachen neun Patienten die NIV vorzeitig ab.

Der mittlere Inspirationsdruck lag bei 21,6 cmH2O, der mittlere Exspirationsdruck bei 4,8 cmH2O, die mittlere Hintergrundfrequenz bei 16/min und die mittlere Anwendungsdauer bei 5,9 h/d.

Ziel: PaCo2 unter 6,5 kpa

Die Behandlungsdauer der NIV betrug mindestens sechs Stunden täglich. Follow-up-Visiten gab es nach zwei Wochen und dann nach drei, sechs, neun und zwölf Monaten. Außerdem fanden alle vier Wochen Telefonkontakte statt.

Die NIV erfolgte im druckunterstützten Modus und, falls toleriert, mit hohen Hintergrundfrequenzen. Ziel war es, eine PaCO2-Absenkung um mindestens 20 Prozent oder einen PaCO2 unter 6,5 kpa (48,1 mmHg) zu erreichen.

Primärer Endpunkt war das Ein-Jahres-Überleben. Darüber hinaus wurden Blutgas-Analysen unter Spontanatmung, Lungenfunktion, Sechs-Minuten-Gehtest und Lebensqualität als sekundäre Endpunkte erfasst.

Innerhalb der einjährigen Beobachtungszeit starben 12 Prozent der Patienten in der NIV- und 33 Prozent in der Kontrollgruppe. Dabei ergab sich ein signifikant besseres Überleben in der NIV-Gruppe. Signifikante Verbesserungen zeigten sich auch hinsichtlich pH, PaCO2, Bicarbonat, FEV1 sowie Lebensqualität (erhoben per SGRQ- und SRI-Fragebogen).

"Die aktuellen GOLD-Empfehlungen sehen allenfalls bei Patienten mit "ausgeprägter Hyperkapnie" einen gewissen Nutzen der NIV. Tatsächlich wurde aber bisher nur in einer einzigen Studie ein marginaler Überlebensvorteil beschrieben - allerdings zulasten der subjektiv eingeschätzten Lebensqualität." so Professor Stephan Budenweiser von der Medizinische Klinik III, Klinikum Rosenheim, in seinem Kommentar zu der Studie.

Dies sei die erste prospektive, randomisierte Studie, die einen klaren Überlebensvorteil unter NIV bei Patienten mit schwerer COPD und chronischer Hyperkapnie belegen könne.

Ein weiteres, wichtiges Ergebnis sei die - wenn auch insgesamt nur geringe - Verbesserung der Lebensqualität, die hinsichtlich SGRQ zumindest bei gut einem Viertel der Patienten auch definitionsgemäß klinisch bedeutsam war.

Lange Rekrutierungsphase

Die Autoren führen ihre positiven Ergebnisse in erster Linie auf die gleichzeitig erreichte PaCO2-Absenkung (gemessen tagsüber, eine Stunde nach Beendigung der NIV) zurück. Tatsächlich konnte, laut Budweiser, in früheren randomisierten Studien oft keine signifikante Besserung der Hyperkapnie durch die Beatmung erreicht werden - vermutlich in erster Linie wegen eines zu niedrigen Inspirationsdrucks.

Auffällig sei die sehr lange Rekrutierungsphase von über sechs Jahren, was auf eine gewisse Patientenselektion hinweisen könnte. Das nicht-verblindete Studiendesign lasse außerdem den Gedanken zu, dass beatmete Patienten eine intensivere medizinische Betreuung erfahren haben könnten.

"Leider bieten die Autoren auch keine genauere Charakterisierung (zum Beispiel durch Subgruppenanalysen) von Patienten, die überdurchschnittlich stark von der Beatmung profitiert haben" bedauert Budweiser. Auch einen Grund für die Verbesserung des Langzeitüberlebens liefere die Studie nicht.

Hypothesen seien die Veränderung des Atemmusters (auch unter Spontanatmung), die muskuläre Entlastung und die frühzeitige Kompensation einer Exazerbation durch die NIV.

Nach Einschätzungen von Budweiser darf diese Studie dennoch als Meilensteinarbeit bezeichnet werden, weil sie erstmals nachhaltige Evidenz für die in vielen pneumologischen Zentren geübte Praxis liefert, Patienten mit stabiler COPD und einem PaCO2 über 50-55 mmHg für eine NIV in Betracht zu ziehen. (eb)

Quelle: MMW - Fortschritte der Medizin 2014/19:38

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