Genaue Analyse

So kommt der Schnupfen in die Zelle

Viren schleusen ihre Erbsubstanz in unsere Zellen ein. Wie das funktioniert, lässt sich nun an der Technischen Universität Wien mit einer neuen Kombination von Analysemethoden untersuchen.

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So kommt der Schnupfen in die Zelle

© DoraZett / Fotolia

WIEN. Schnupfenviren verursachen uns Ärger, indem sie in unsere Zellen eindringen und dort die RNA aus ihrem Inneren in das Cytoplasma der infizierten Zelle transportieren. Erst dadurch können sie sich vermehren. Wie diese Ausschleusung der RNA aus dem Inneren des Virus im Detail abläuft, ist schwer zu untersuchen, teilt die Technische Universität (TU) Wien mit. An der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, mit der man diesen Prozess analysieren kann. Sie entstand aus der Kombination zweier etablierter Verfahren – sogenannten "Molecular Beacons" (molekulare Leuchtfeuer) und der Kapillarelektrophorese im Chip-Format (Anal Bioanal Chem 2016; 408: 4209).

Mini-Fußball mit Erbsubstanz

Das Schnupfenvirus, das Professor Günter Allmaier und sein Team vom Institut für Chemische Technologien und Analytik studierten, ist relativ einfach aufgebaut. Es sieht aus wie ein Nano-Fußball mit einem Durchmesser von ungefähr 30 Nanometern, heißt es in der Mitteilung. Seine Schale besteht aus vier verschiedenen Proteinen, die jeweils 60-fach vorhanden sind, im Inneren verbirgt sich die RNA, auf der die Erbinformation des Virus gespeichert ist.

"Bestimmte äußere Bedingungen können das Virus dazu bringen, seine RNA nach außen freizusetzen", wird Victor Weiss, PostDoc von Allmaier, in der Mitteilung zitiert. "In unseren Zellen wird das durch einen niedrigeren pH-Wert ausgelöst, man kann denselben Effekt auch erzielen, indem man die Temperatur für zehn Minuten auf 57ºC erhöht." In diesem Fall organisieren sich die Proteine um, die Schale des Virus bekommt Löcher, durch eines von ihnen wird dann der RNA-Strang freigegeben.

Für viele medizinische Fragen ist es wichtig, diesen Mechanismus genau zu verstehen – zum Beispiel für die künftige Entwicklung von Medikamenten, die genau diesen RNA-Transfer verhindern. Die Dynamik dieses Vorgangs konnte bisher nicht direkt beobachtet werden. In den Labors der TU Wien wird dieser Prozess aber nun experimentell zugänglich gemacht, so die Mitteilung.

Fluoreszierende Marker

Man verwendet sogenannte "Molecular Beacons" – das sind maßgeschneiderte RNA (oder DNA-) Moleküle mit zwei verschiedenen Enden. An einem Ende sitzt ein Fluorophor, der aufleuchtet, wenn man ihn mit Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, am anderen Ende ein "Quencher", der genau dieses Aufleuchten verhindert. "Anfangs ist das Molekül zusammengeklappt, Fluorophor und Quencher befinden sich ganz nahe nebeneinander, dann ist die Fluoreszenz sehr gering", erklärt Weiss.

Die "Molecular Beacons" können allerdings an eine ganz bestimmte RNA-Sequenz andocken. Wenn das passiert, klappt das Molekül auseinander, Fluorophor und Quencher sind plötzlich weit voneinander entfernt, und wenn man das Molekül dann mit dem passenden Laserlicht bestrahlt, fluoresziert es.

Kombiniert mit Elektrophorese

Man kann diese "Molecular Beacons" also verwenden, um bestimmte RNA-Sequenzen nachzuweisen. Diese Technik wurde an der TU Wien mit einer anderen bewährten Technik kombiniert – der Kapillarelektrophorese, so die Wiener Uni. Dabei trennt man die Komponenten einer Probe nach ihrer elektrophoretischen Mobilität (Wanderungsgeschwindigkeit in einem elektrischen Feld). Eine kleine Flüssigkeitsprobe wird in einem Chip-Kanal platziert, und dort wird ein elektrisches Feld angelegt, in dem die unterschiedlichen Nanopartikel auf charakteristische Weise unterschiedlich schnell wandern. Nach einer Trennstrecke von etwa eineinhalb Zentimetern trifft dann ein Laserstrahl auf die Partikel. Dort werden dann die leuchtenden Fluorophore des ausgeklappten "Molecular Beacons" gemessen, die an der Viren-RNA andocken konnten.

"Die unterschiedlichen Bestandteile der Probe kommen zu unterschiedlichen Zeitpunkten beim Laser an, erst dadurch kann man sichergehen, dass man genau misst, was man eigentlich messen möchte", erklärt Allmaier. "Damit können wir nun beispielsweise zeigen, welches Ende der RNA zuerst aus dem Virus austritt, und wie dieser Prozess genau abläuft."

Im Prinzip lässt sich die Methode, die im Rahmen eines FWF Projektes gemeinsam mit der Forschungsgruppe Dieter Blaas (Medizinische Universität Wien) entwickelt wurde, auch auf alle anderen Viren anwenden. "Uns geht es um die Entwicklung der Methode, als Testobjekt ist das Schnupfenvirus geradezu ideal", so Allmaier. "Wir hoffen, dass sich diese Methode in der medizinischen Forschung etabliert. Dass sie großes Potenzial hat, haben wir nun gezeigt und zeigt sich auch in der Kooperation mit der Firma Agilent Technologies." (eb)

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