AOK beseitigt Hürden für den Zugang zu Lucentis

BERLIN/NÜRNBERG (HL/fst). Viele Patienten mit feuchter altersbedingter Makuladegeneration (AMD) können aufatmen: Rückwirkend zum 1. Januar 2008 gilt ein Rahmenvertrag zwischen dem AOK-Bundesverband und dem Arzneimittelhersteller Novartis, in dem die Kostenübernahme für die Behandlung mit Lucentis® geklärt wird. Auch für das Honorar der Augenärzte soll es eine Lösung geben.

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Behandlung bei einem Patienten mit feuchter Makula-Degeneration: Das Präparat wird intravitreal injiziert.

Behandlung bei einem Patienten mit feuchter Makula-Degeneration: Das Präparat wird intravitreal injiziert.

© Foto: Novartis

Obwohl in Deutschland neue Arzneimittel unabhängig von der Höhe ihres Preises von der gesetzlichen Kassen bezahlt werden müssen, gab es im Fall des Anfang 2007 eingeführten Ranibizumab (Lucentis®) erhebliche Schwierigkeiten. Zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend:

  • Für die intravitreale Injektion gibt es keine Leistungsposition im Einheitlichen Bewertungsmaßstab. Ersatzweise können behandelnde Augenärzte über die GOÄ abrechnen; dies muss jedoch in jedem Einzelfall bei der Krankenkasse beantragt werden - für die betroffenen, schwer sehbehinderten und durchweg älteren Patienten ein Hürdenlauf durch die Bürokratie.
  • Bis zur Zulassung von Ranibizumab wurde im Off-label-use das Krebsmedikament Bevazizumab (Avastin®) eingesetzt. Es hat keine Zulassung für die Behandlung der AMD. Im Vergleich zu den Krebsindikationen wird Avastin, wenn es am Auge eingesetzt wird, nur in einer sehr geringen Dosis benötigt; so kostet die Einmal-Injektion nur 50 Euro.

Die Preis-Diskrepanz zu Ranibizumab, das etwa 1500 Euro kostet, führte zu Empörung in politischen Kreisen. Und zu einem illegalen Off-label-use mit Avastin: In manchen Regionen vereinbarten Kassen und der Berufsverband der Augenärzte, dass pro Behandlung eine Gesamtsumme von 500 Euro einschließlich der Arzneimittelkosten gezahlt werden soll. Den Augenärzten war zwar freigestellt, welches Arzneimittel sie dabei einsetzen konnten - unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten blieb ihnen meist nichts anderes übrig, als Avastin zu verwenden.

Dem Rahmenvertrag, den nun Novartis und der AOK-Bundesverband geschlossen haben, sind bisher sieben der 15 AOK-Landesverbände beigetreten. Udo Barske, Sprecher des AOK-Bundesverbands, geht davon aus, dass sich "die Zahl noch weiterentwickeln" wird, weitere Landesverbände sich der Vereinbarung anschließen.

AOK-Patienten haben Zugang zu der Arzneimittel-Innovation

Damit wird nun eine für Ärzte rechtssichere Situation geschaffen. Dabei haben Novartis und der AOK-Bundesverband eine Budget-Obergrenze vereinbart. Damit wird sichergestellt, dass die Behandlungskosten mit Lucentis für die Kassen begrenzt sind. "Es gibt keinerlei Therapiebegrenzung", sagte Barske, so dass die Patienten unverzüglich Zugang zu dieser Arzneimittel-Innovation hätten. "Unter dem Strich", so der Kassen-Sprecher, handele es sich bei der Vereinbarung um ein "Risk-Sharing". Bei solchen Verträgen wird die Kostenerstattung der Kasse an den Behandlungserfolg geknüpft.

Details zur Honorierung der Ärzte sollen in den kommenden Wochen von den Ortskrankenkassen bekannt gegeben werden. Solange es noch keine Leistungsposition im EBM-Katalog gibt, "stellt der behandelnde Arzt dem Patienten eine vereinbarte Pauschale in Rechnung, die dieser dann von der AOK erstattet bekommt", erläutert der AOK-Sprecher. Vor dem Vertragsschluss war eine Rechnungsstellung des Arztes nach GOÄ die einzige Möglichkeit - zuvor mussten Versicherte aber stets eine Genehmigung der AOK einholen.

Diese Prozedur wird für Patienten in den am Vertrag teilnehmenden AOK-Landesverbänden entfallen. Sobald das EBM-Leistungsverzeichnis um die intravitreale Behandlung von AMD-Patienten ergänzt wurde, werde es sich um "eine ganz normale Kassenleistung handeln", kündigte Barske an.

Kosten-Wirkungen waren dramatisiert worden

Auch aus der Sicht von Novartis ist der Vertrag ein Durchbruch. Schon frühzeitig hatte das Unternehmen den Krankenkassen eine Begrenzung des Ausgabenrisikos angeboten, war jedoch nur auf ein zurückhaltendes Interesse gestoßen.

Dabei waren immer wieder die Arzneimittelkosten dramatisiert worden, wobei behauptet worden war, Lucentis® könne Milliarden-Ausgaben verursachen. In diesem Zusammenhang war man von fast 500 000 Patienten ausgegangen. Tatsächlich sind nur Patienten mit AMD im Anfangsstadium erfolgreich behandelbar. Die Zahl dieser Patienten wird jährlich auf etwa 50 000 geschätzt. Wie viele AOK-Versicherte potentiell von der neuen Vereinbarung profitieren, konnte Barske nicht sagen.

AOK / Novartis: Kein Risksharing

BERLIN (HL). Bei dem vom AOK-Bundesverband und dem Arzneimittelhersteller Novartis über das AMD-Präparat Lucentis® geschlossenen Vertrag handelt es sich nicht um eine Risk-Sharing-Vereinbarung, wie die "Ärzte Zeitung" gestern irrtümlich berichtet hatte.

Bei diesem Vertrag hängt die Vergütung nicht von einem definierten Behandlungserfolg ab. Lediglich sind für die AOK die Arzneimittelkosten in der Höhe begrenzt worden.

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