Atypisches Neuroleptikum entlastet die Angehörigen Demenz-Kranker

FRANKFURT / MAIN (djb). Verhaltensstörungen bei demenzkranken Patienten erschweren oft das Zusammenleben mit den Angehörigen im häuslichen Umfeld. Häufiger als die kognitiven Beeinträchtigungen sind Aggressivität und Schlafstörungen Gründe für die Aufnahme der Patienten in ein Pflegeheim.

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Daran hat jetzt Professor Gabriela Stoppe von der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel erinnert. Das Risiko für die Aufnahme Demenz-Kranker in ein Pflegeheim steige mit dem Alter der Patienten und dem Alter der pflegenden Angehörigen.

Ein weiterer Risikofaktor sei die Ausprägung von Verhaltensstörungen, die bei 80 bis 90 Prozent der Patienten im Krankheitsverlauf aufträten, sagte Stoppe bei einer von Janssen-Cilag unterstützten Veranstaltung in Frankfurt / Main. Vor allem Aggressivität, Agitiertheit sowie nächtliche Verwirrtheit mit Störung des Tag-Nacht-Rhythmus belasteten die Pflegenden enorm.

Untersuchungen haben ergeben, daß mehr als zwei Drittel der pflegenden Angehörigen die kontinuierliche Beaufsichtigung der DemenzKranken als sehr belastend empfinden. Bei jedem zweiten wird der Nachtschlaf mehr als zweimal unterbrochen. Etwa die Hälfte der Pflegenden wird selbst seelisch und/oder körperlich krank.

Nach Ausschöpfung aller nichtmedikamentösen Maßnahmen sei vor allem bei schweren Aggressionen und Schlafstörungen und hohem Leidensdruck der Beteiligten außer der antidementiven Basistherapie eine Neuroleptika-Therapie indiziert, betonte Stoppe. Daß hierbei die Anwendung des Atypikums Risperidon Vorteile gegenüber der Therapie mit niederpotenten Neuroleptika bringt, sei auch durch eine offene Anwendungsbeobachtung mit 111 DemenzPatienten bestätigt worden.

Die Umstellung der Demenz-Patienten von einem niederpotenten Neuroleptikum, meist Melperon, auf täglich 1 mg Risperidon (Risperdal® 1 mg) habe nicht nur zu einer signifikanten Minderung der Verhaltensstörungen, erfaßt durch die NPI-Skala (Neuropsychiatrisches Inventar), und zur Besserung der Alltagskompetenz geführt, sondern auch zu einer deutlichen Entlastung der Pflegenden, so Stoppe. Der tägliche Zeitaufwand für Pflege und Betreuung sei nach der Umstellung um eine Stunde geringer gewesen. Dies wiederum habe die Bereitschaft der Angehörigen, die Demenz-Kranken länger zu Hause zu pflegen und die Heimpflege hinauszuschieben, gefördert.

Auch die kognitiven Leistungen besserten sich unter Risperidon signifikant. Stoppe interpretiert dies als sekundären Effekt, der vermutlich auf die verminderte Tagesmüdigkeit oder den verbesserten Schlaf-Wach-Rhythmus infolge der Risperidon-Therapie zurückzuführen sei.



STICHWORT

NPI-Score

Der Score NPI (Neuropsychiatric Inventory) berücksichtigt zehn Verhaltensstörungen bei Patienten mit einer Demenz-Erkrankung. Dazu gehören Symptome wie Unruhe oder Halluzinationen.

Für jede Störung wird das Produkt aus Häufigkeit (0 Punkte = nicht vorhanden bis 4 Punkte = täglich) und Ausprägung (1 Punkt = leicht ausgeprägt bis 3 Punkte = stark ausgeprägt) berechnet. Es liegt jeweils zwischen 0 und 12 Punkten. Zum Schluß werden die Punkte für die zehn Verhaltensstörungen addiert. Die NPI-Gesamtpunktzahl liegt somit zwischen 0 und 120 Punkten.

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