Therapie

Ein früher Therapiestart bremst die Demenz

"Aktiv für Demenzkranke" - so lautet das Motto des Alzheimer-Tages in Deutschland. Dazu gehört auch eine frühe Arzneitherapie.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Eine frühe Therapie hilft, die Kognition möglichst lange zu erhalten.

Eine frühe Therapie hilft, die Kognition möglichst lange zu erhalten.

© Foto: imago

Sich aktiv für Alzheimer-Kranke einzusetzen - das beginnt sofort nach der Diagnose. Denn dann sollten Patienten auch eine antidementive Therapie erhalten. Schließlich haben viele Studien gezeigt, dass Patienten umso mehr von einer medikamentösen Therapie profitieren, je früher damit begonnen wird. Ihre kognitiven Fähigkeiten bleiben dann länger erhalten als bei einem späten Therapie-Start, sie kommen besser im Alltag zurecht und auch Verhaltensauffälligkeiten und der Pflegeaufwand sind dann geringer.

Doch bislang ist eine frühe antidementive Therapie noch die Ausnahme: Nach Daten einer Befragung bei über 900 Pflegediensten mit 13 000 Demenzpatienten erhalten nur 29 Prozent der Patienten mit einer Demenzdiagnose Antidementiva. Ein Grund für die zurückhaltende Verordnung ist die Sorge um ein Überschreiten der Arzneimittelbudgets. Mit der Aufnahme von Demenz-Erkrankungen in den weiter entwickelten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zum 1. Januar 2009 hoffen Experten, dass sich die Versorgungslage für die Patienten bessert.

Zur Alzheimer-Therapie können Ärzte derzeit zwischen vier Medikamenten wählen. Die drei Cholinesterase-Hemmer Donepezil (Aricept®), Galantamin (Reminyl®) sowie Rivastigmin (Exelon®) sind bei leichter und mittelschwerer Alzheimer-Erkrankung zugelassen. Es gibt zudem Daten, dass die Medikamente auch bei schwerer Demenz gut wirken. Memantine (Axura®, Ebixa®) ist außer bei moderater auch bei schwerer Alzheimer-Demenz (MMST von 10 Punkten und weniger) zugelassen. Für die Arznei gibt es inzwischen auch Daten zu einer guten Wirksamkeit bei einer leichten Alzheimer-Erkrankung.

Sowohl mit Cholinesterase-Hemmern als auch mit Memantine lässt sich primär die Progression der Demenz verzögern. Die zum Zeitpunkt der Diagnose bestehenden kognitiven Leistungen können dabei unter der Therapie bis etwa ein Jahr lang besser als zu Beginn sein. Danach werden sie - trotz fortgesetzter Therapie - schlechter, und zwar ungefähr in dem Maße, wie es von Beginn an in Studien bei Patienten mit Placebo der Fall ist. Doch Antidementiva wirken nicht nur günstig auf die Kognition:

  • In einer Studie mit 252 Patienten mit fortgeschrittener Alzheimer-Demenz gingen Unruhe und Aggressivität bei 55 Prozent der Patienten mit Memantine, aber nur bei 36 Prozent derjenigen mit Placebo zurück. Zudem waren bei Patienten mit fortgeschrittener Alzheimer-Erkrankung mit Memantine in Studien monatlich statt 450 Stunden nur etwa 400 Stunden Betreuung und Pflege nötig.
  • Mit Donepezil ließen sich in Studien bei Alzheimer-Patienten Verhaltensstörungen wie motorische Unruhe und Halluzinationen deutlich mindern, und die Aufnahme in ein Pflegeheim ließ sich im Schnitt um 21 Monate hinauszögern. Patienten, die mit Donepezil behandelt werden, brauchen im Schnitt im Jahr 400 Stunden weniger Pflege als Patienten mit Placebo.
  • Für Galantamin erkennt auch das IQWiG Hinweise an, dass die Arznei den Betreuungsaufwand senkt und einen Nutzen bei psychopathologischen Symptomen hat. In einer Studie bei 825 Alzheimer-Patienten ließ sich mit der Arznei der Betreuungsaufwand um knapp eine Stunde pro Tag senken. Nach Daten von drei Studien mit knapp 600 Patienten zögert Galantamin zudem die Heimaufnahme hinaus.
  • Auch Rivastigmin mindert deutlich Angst, Wahnvorstellungen, Agitiertheit und Halluzinationen. Der positive Effekt bleibt langfristig erhalten. Noch nach zweijähriger Therapie traten in einer Studie Stimmungsstörungen und Halluzinationen bei Alzheimer-Patienten mit Rivastigmin seltener auf als mit Placebo. Das Medikament ist inzwischen auch zur transdermalen Therapie als Pflaster erhältlich.

Kurze Tests erleichtern die Diagnose

  • Der DemTect etwa dauert 7 bis 10 Minuten. Bei den fünf Untertests müssen zehn vorgelesene Worte wie "Teller" oder "Apfel" sofort auswendig wiederholt werden. Zudem sollen die Patienten in einer Minute möglichst viele Waren aus dem Supermarkt aufzählen.
  • Der TFDD (Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung) dauert 5 bis 10 Minuten und enthält Untertests zum Demenz-Screening sowie Untertests, mit denen sich Demenz von Depression durch Fremd- und Selbstbeurteilung abgrenzen lässt.

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