Alzheimer-Forschung

Neue Hoffnungsträger in der Pipeline

Wirkstoffe, die gegen Alzheimer helfen, suchen Forscher noch immer vergebens. Jetzt keimt neue Hoffnung auf: Ein NSAR-Derivat hat in einer Phase-II-Studie Erfolge erzielt. Auch ein neuer Beta-Sekretasehemmer erscheint vielversprechend.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schichtbild des menschlichen Gehirns in der Sagitalebene (Computer-animierte Grafik).

Schichtbild des menschlichen Gehirns in der Sagitalebene (Computer-animierte Grafik).

© Pasieka / SPL / AG Focus

BOSTON. Neue Wirkstoffe gegen Alzheimer sind in den vergangenen Jahren allesamt spätestens in Phase-III-Studien gescheitert, umso wichtiger ist es, weiterhin nach neuen Ansätzen zu suchen.

Nun scheint einem Gamma-Sekretase-Modulator ein gewisser Erfolg bei Alzheimerpatienten beschieden. In den zuvor gescheiterten Ansätzen hatte man gezielt versucht, Enzyme wie Gamma- und Beta-Sekretase zu hemmen.

Diese Enzyme spalten das Amyloid-Vorläuferprotein APP in einer Weise, dass vermehrt kurze Fragmente von Beta-Amyloid entstehen, die bei Alzheimer bekanntlich in den Plaques verklumpen.

Die Enzymhemmung hatte in Studien mit diversen neuen Wirkstoffen auch meist prima geklappt, genützt hat es den Patienten allerdings wenig, mitunter sogar eher geschadet.

Nun muss man die Sekretasen nicht gleich hemmen, man kann sie auch so modulieren, dass sie APP in physiologischer Weise spalten, sodass weniger alzheimertypisches Beta-Amyloid entsteht. Dazu sind bestimmte NSAR in der Lage.

Da in epidemiologischen Studien Patienten unter NSAR oft eine reduzierte Alzheimerrate hatten, könnten die Sekretase-modulierenden Effekte ebenso wie die entzündungshemmenden Wirkungen von Nutzen sein.

Studien mit Tarenflurbil, einem Ibuprofen-Derivat, zeigten letztlich aber keinen Erfolg bei Alzheimerpatienten.

Gedächtnis verbessert

Den Ansatz haben Alzheimerforscher aber dennoch nicht aufgegeben. Mit CHF5074 schickt das Unternehmen Chiesi ein weiteres NSAR-Derivat aus der Gruppe der Profene ins Rennen.

Die Substanz moduliert allerdings nicht nur die Gamma-Sekretase und ist entzündungshemmend, sie scheint auch Gliazellen zu aktivieren, die das verklumpte Amyloid dann besser aufräumen.

CHF5074 wird daher inzwischen eher als "Mikroglia-Modulator" bezeichnet. Auf der Tagung der Alzheimer's Association in Boston haben Forscher um Joel Ross vom Memory Enhancement Center of America in Eatontown, USA, nun Daten einer Phase-II-Studie vorgestellt.

Sie geben wieder etwas Hoffnung, dass es mit einer Anti-Amyloid-Strategie doch noch klappen könnte.

In der Studie wurden allerdings keine Alzheimerkranken behandelt, sondern 76 Patienten mit ersten kognitiven Einschränkungen (MCI) - inzwischen geht man davon aus, dass eine Anti-Amyloid-Strategie bei Alzheimerpatienten zu spät kommt.

Die Patienten bekamen 14 Wochen lang entweder 200, 400 oder 600 mg/d des Mikroglia-Modulators oder Placebo, anschließend wurden sie 76 Wochen offen weiterbehandelt. Nach 64 Wochen konnten Daten von 32 Patienten für eine Zwischenanalyse ausgewertet werden.

Wie das Online-Portal "MedPage Today" berichtet, schnitten Patienten mit der Medikation bei diversen kognitiven Tests deutlich besser ab als mit Placebo. So benötigten sie signifikant weniger Zeit für die Testaufgaben und konnten sich bei Gedächtnistests signifikant mehr Wörter merken.

Auch ApoE4-Träger profitierten

Drei Patienten brachen die Studie aufgrund unerwünschter Wirkungen ab, zwei mit der höchsten, einer mit der zweithöchsten Dosierung.

Bei einem Patienten wurden erhöhte Serumkreatinin-Werte beobachtet. Dosisabhängig kam es zudem zu gastrointestinalen Beschwerden, heißt es in einer Kongress-Pressemitteilung.

Bis zu einer Dosis von 400 mg/d sei der Wirkstoff jedoch gut vertragen worden, wird Ross darin zitiert. Offenbar haben besonders Patienten mit ApoE4-Allel profitiert. Das überrascht, haben solche Patienten doch normalerweise eine besonders schlechte Prognose.

Möglicherweise hatten aber auch viele Patienten ohne ApoE4 schlicht keine beginnende Alzheimererkrankung, MCI mündet schließlich nicht immer in eine Demenz. Interessant ist nun natürlich, ob sich die Ergebnisse in Phase III reproduzieren lassen.

Gegen ein anderes Ziel richtet sich der Wirkstoff MK-8931. Auf dem Alzheimerkongress wurden Daten einer siebentägigen Studie mit 30 Patienten vorgestellt, die täglich 12-60 mg des Beta-Sekretase-Hemmers bekamen.

Wie Liquoranalyse zeigten, ließ sich damit die Produktion der alzheimertypischen Beta-Amyloidfragmente um über 80 senken, berichtet "MedPage Today". Ob das auch klinische Auswirkungen hat, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

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