Alzheimerforscher setzen auf

Abfangjäger für das Tau-Protein

Richtungswechsel im Kampf gegen Alzheimer: Nachdem viele Studien zu Beta-Amyloid gescheitert sind, setzen Forscher nun ihre Hoffnungen auf Antikörper gegen das Tau-Protein.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Antikörper gegen das Tau-Protein sollen die Alzheimerforschung vorantreiben. Erste, noch präklinische Daten zu einem solchen Antikörper sind jetzt auf der AAN-Jahrestagung vorgestellt worden.

Antikörper gegen das Tau-Protein sollen die Alzheimerforschung vorantreiben. Erste, noch präklinische Daten zu einem solchen Antikörper sind jetzt auf der AAN-Jahrestagung vorgestellt worden.

© Andrea Danti / fotolia.com

PHILADELPHIA. Wenn Patienten klinisch an Alzheimer erkrankt sind, haben die Amyloid-Ablagerungen im Gehirn bereits das maximale Ausmaß erreicht.

Therapien, die eine Verklumpung von Amyloid verhindern, bringen dann nur noch wenig, und auch Antikörper, die Amyloidaggregate auflösen, zeigten in Studien bislang keinen Nutzen, da vermutlich nicht die Aggregate das Hauptproblem sind. Toxische Eigenschaften werden mittlerweile eher den löslichen Amyloid-Oligomeren zugeschrieben.

Das Problem ist nun: Eigentlich müsste man Alzheimerpatienten mit Antikörpern gegen Amyloid schon 10 bis 15 Jahre vor Beginn der klinischen Symptome behandeln, um zu schauen, ob diese Therapie eine Wirkung zeigt.

Das wird jetzt auch versucht, doch bei den Studienteilnehmern handelt es sich entweder um Mitglieder aus Familien mit einer erblich bedingten Alzheimerform, oder aber um ältere, noch kognitiv gesunde Menschen, bei denen per PET tatsächlich eine massive Amyloidablagerung festgestellt wird, und die daher ein hohes Alzheimerrisiko haben.

Früherkennung schwierig oder teuer

Eine familiäre Alzheimerform ist aber sehr selten, und eine PET-Untersuchung sehr teuer. Selbst wenn Anti-Amyloid-Antikörper bei einem frühen Therapiebeginn wirksam sind, so ist es entweder schwierig oder teuer, diejenigen Menschen zuverlässig zu erkennen, die zehn Jahre später eine Alzheimerdemenz entwickeln.

Ein Amyloid-PET für alle über 60 Jahre wird da sicher keine Lösung sein, über die sich die Krankenkassen freuen. Die Alzheimerforschung steckt also in einem gewissen Dilemma.

Kein Wunder, dass man sich zunehmend auf andere Therapiestrategien besinnt. Wie auf dem Kongress der US-amerikanischen Neurologengesellschaft AAN in Philadelphia deutlich wurde, rückt nun das Tau-Protein in den Fokus.

Dr. David Holtzman aus St. Louis erinnerte daran, dass die Tau-Pathologie etwa fünf Jahre vor der klinischen Alzheimerdiagnose nachweisbar ist und viel stärker mit dem kognitiven Abbau korreliert als Beta-Amyloid.

Tau wieder im Mainstream

Zwar gehen die meisten Forscher nach wie vor davon aus, dass die intrazelluläre Tau-Verklumpung durch Amyloid getriggert wird, aber möglicherweise reicht es ja, die weitere Ausbreitung von Tau im Gehirn zu verhindern, um den kognitiven Abbau bei Alzheimerdemenz zu stoppen oder zu bremsen.

Immerhin ist die Tau-Pathologie noch mitten im Gang, wenn die Patienten kognitive auffällig werden. Hier hätte man also nicht das Problem, dass die Therapie zu spät kommt.

Sollte eine Therapie gegen Tau wirken, dann wäre zu erwarten, dass sie auch noch bei Patienten mit ersten kognitiven Einschränkungen oder einer leichten, vielleicht sogar moderaten Alzheimerdemenz nützt. Derzeit läuft eine Phase-III-Studie zu einem Methylenblau-Derivat, dass die Tau-Verklumpung verhindern soll.

Solche Ansätze galten bis vor kurzem noch als exotisch, doch mit der Entwicklung moderner, maßgeschneiderter Therapeutika in Form monoklonaler Antikörper ist Tau offenbar wieder im Mainstream der Forschung angekommen. Erste, noch präklinische Daten zu einem solchen Antikörper konnte Holtzman nun auf dem Kongress vorstellen.

Antikörper gegen intrazelluläres Tau

Zunächst erscheint es seltsam, intrazelluläres Tau mit extrazellulär agierenden Antikörpern zu bekämpfen. Doch Holtzman und andere Forscher vermuten, dass pathogenes Tau von den Zellen auch ausgeschieden wird.

Diese Moleküle, so die Hypothese, infizieren ähnlich wie Prionproteine benachbarte Zellen. So lässt sich beobachten, dass sich die Tau-Aggregation im Laufe einer Alzheimerdemenz langsam vom Hippocampus und entorhinalem Kortex in den Neokortex ausbreitet.

Können Antikörper das extrazelluläre, „infektiöse“ Tau abfangen, dann, so der Neurologe, sollte sich die Tau-Pathologie und damit hoffentlich auch die Neurodegeneration bremsen lassen.

Holtzman zeigte Daten zu einem monoklonalen Antikörper gegen Tau, der in einem Tiermodell für Tauopathien geprüft wurde. Forscher infundierten Mäusen den Antikörper drei Monate lang in einen Ventrikel. Damit konnten sie die Tau-Last im Vergleich zu Kontrolltieren um etwa 60 Prozent reduzieren.

Anschließend verabreichten sie den Antikörper auch peripher, hier war die Tau-Last um 75 Prozent geringer. Die behandelten Mäuse zeigten zudem ein etwa 7 Prozent größeres Hirnvolumen und weniger neurologischen Auffälligkeiten als unbehandelte Artgenossen, was hoffen lässt, dass sich die Therapie auch in einen klinischen Nutzen übersetzen lässt.

Möglicherweise gibt es also bald die ersten Humanstudien mit einem Antikörper gegen pathologisches Tau-Protein.

Solanezumab: dritter Versuch

Doch auch die Amyloid-Fraktion gibt sich noch nicht geschlagen, was die Therapie bei klinisch erkrankten Alzheimerpatienten betrifft. So wurde nun eine dritte Phase-III-Studie mit dem Anti-Amyloid-Antikörper Solanezumab begonnen.

Die ersten Phase-III-Studien bei Alzheimerpatienten verliefen zwar negativ, die gepoolten Daten beider Studien deuten aber auf einen Nutzen bei einer leichten Demenz. So war der geistige Abbau gemessen mit Kognitionsskalen um etwa ein Drittel geringer ausgeprägt als mit Placebo.

An der neuen Studie nehmen daher nur Patienten mit leichter Demenz teil. Zudem wird strenger geprüft, ob die Betroffenen tatsächlich eine Alzheimerdemenz haben, etwa per Amyloid-PET.

„In den ersten Studien mit monoklonalen Antikörpern hatten etwa 20 Prozent der Teilnehmer gar keine Alzheimerdemenz“, so Holtzman. Dies habe die Ergebnisse entsprechend verwässert.

Der Neurologe verspricht sich auch bei den neuen Anti-Amyloid-Antikörpern Gantenerumab und Crenezumab, die derzeit klinisch geprüft werden, positive Überraschungen. Sie haben zum Teil ein unterschiedliches Wirkprofil und würden Beta-Amyloid besser aus dem Hirn entfernen als ihre Vorgänger.

Man darf als gespannt sein, ob die zweite Welle von Antikörperstudien gegen Amyloid erstmals einen Nutzen gegen Alzheimer belegen kann.

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