Demenz

Stufenplan gegen die Schmerzen

Bei Demenzkranken werden Schmerzen oft unzureichend behandelt, obwohl schätzungsweise 80 Prozent von ihnen darunter leiden. Ein Stufenprotokoll für die Schmerztherapie soll Abhilfe schaffen.

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Viele Demenzpatienten leiden unter Schmerzen, können dies aber nicht kommunizieren.

Viele Demenzpatienten leiden unter Schmerzen, können dies aber nicht kommunizieren.

© Patrick Pleul/dpa

BERGEN. Nach Schätzungen leiden bis zu 80 Prozent aller Patienten in Pflegeheimen an Schmerzen. Und die Rate bei den dort betreuten Demenzpatienten dürfte kaum niedriger liegen.

Weil Demenzkranke ihre Beschwerden schlechter verbalisieren können, erhalten sie in der Regel jedoch weniger Analgetika. Durch ein Stufenprotokoll für die Schmerztherapie kann dieses Defizit deutlich verringert werden. In einer Pflegeheim-Studie aus Norwegen hatten die danach behandelten Demenzpatienten signifikant weniger Schmerzen als Patienten mit Standardversorgung (Eur J Pain 2014; 18 (10): 1490-1500).

Das Stufenprotokoll entsprach den Empfehlungen der American Geriatric Society zur medikamentösen Therapie chronischer Schmerzen bei älteren Patienten: Begonnen wird mit Paracetamol (3 g/d; Stufe 1). Wenn das nicht genügt, wird mit retardiertem Morphin oral (10 oder 20 mg/d; Stufe 2) oder mit Buprenorphin transdermal (5 oder 10 µg/h für 7 Tage; Stufe 3) kombiniert.

Ärzte-Team legt Stufe fest

Patienten, die bereits ein Opioid erhalten und an neuropathischen Schmerzen leiden, bekommen zusätzlich Pregabalin (25, 50 oder 75 mg/d; Stufe 4). Auf welcher Eskalationsstufe ein Patient behandelt werden soll, wird jeweils von einem Team aus Ärzten gemeinschaftlich entschieden.

An der norwegischen Studie waren insgesamt 327 Patienten mit mittelschwerer und schwerer Demenz beteiligt, sie wurden nach dem Zufallsprinzip für einen Zeitraum von acht Wochen entweder nach dem Stufenschema (n = 164) oder wie bisher (n = 163) versorgt.

In der Interventionsgruppe führte dies dazu, dass den meisten Patienten ein Analgetikum neu oder in höherer Dosierung gegeben wurde. Bei 112 Patienten war dies ausschließlich Paracetamol; drei Patienten bekamen zusätzlich Morphin, 37 das Buprenorphin-Pflaster und zwölf Patienten Pregabalin.

Damit hatten die Patienten nach zwei, vier und acht Wochen signifikant weniger Schmerzen als die Kontrollpatienten; nach acht Wochen war die Schmerzintensität um 45 Prozent reduziert.

Schmerzen auf andere Weise artikulieren

Zur Beurteilung der Schmerzen diente der MOBID-2-Pain-Score, der speziell für Demenzpatienten entwickelt wurde und bei dem Schmerzen anhand von Artikulation, Gesichtsausdruck und Körperhaltung bewertet werden.

Die Aktivitäten des täglichen Lebens waren zumindest von den Paracetamol-Patienten bei Studienende besser zu bewältigen. In der gesamten Interventionsgruppe war hier aber kein Vorteil gegenüber der Standardversorgung zu erkennen.

"Die Ergebnisse belegen den Wert einer prompten und fortlaufenden analgetischen Behandlung von Demenzpatienten, bei denen diese klinisch angemessen ist", konstatieren die Studienautoren um Reidun K. Sandvik von der Universität Bergen. Paracetamol habe mit seiner guten Wirksamkeit und Verträglichkeit "seine Eignung als First-Line-Therapie bestätigt".

Kritisch sehen die Ärzte dagegen die frühe Eskalation auf Opioide: Sie würden von Demenzpatienten möglicherweise schlechter toleriert (in der Studie wurden eine Femurfraktur, Benommenheit und Übelkeit registriert), sodass eine Alternative wünschenswert sei. (bs)

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