Neurodegeneration

Tau-Proteine auf Abwegen

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BONN. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) haben neue Erkenntnisse über die Rolle des Proteins Tau bei Hirnerkrankungen vorgestellt (PNAS 2016, online 26. September).

Ihre Studie deutet darauf hin, dass der Wirkstoff Rolofylline in der Lage sein könnte, Lern- und Gedächtnisprobleme abzumildern, die infolge aggregierender Tau-Proteine auftreten, heißt es in einer Mitteilung des DZNE.

Das Gehirn hat so manche Ähnlichkeit mit dem Internet: Bei beiden handelt es sich um Netzwerke, in denen Signale von einem Knoten zum nächsten übertragen werden. Anders als Computer sind Nervenzellen jedoch über bis zu einem Meter lange Axone miteinander verbunden, sogenannte Tau-Proteine tragen normalerweise zur Integrität dieser Strukturen bei.

Winzigen Fasern und Klumpen

Doch bei einer bestimmten Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen – den "Tauopathien", zu denen beispielsweise Alzheimer gehört – gerät Tau auf Abwege: Es aggregiert zu winzigen Fasern oder Klumpen, was neuronale Störungen auslösen kann.

Die zugrundeliegenden Mechanismen sind aber nur grob verstanden. Eine effektive Therapie gibt es daher nicht.Dabei sterben die Nervenzellen nicht ab und scheinen auch nicht ernsthaft krank zu sein. Sie geraten nur in eine Art Schlummerzustand.

Dafür fanden die Forscher ein mögliches Gegenmittel: Der Wirkstoff Rolofylline kann die neuronale Aktivität wiederherstellen, er verstärkt den Signalaustausch zwischen den Nervenzellen und ist so in der Lage, Lern- und Gedächtnisstörungen abzumildern.

Die Wissenschaftler konnten diesen Effekt an Mäusen nachweisen, in deren Gehirnen sich Tau-Aggregate angehäuft hatten. Rolofylline wurde ursprünglich zur Therapie von Nierenfunktionsstörungen bei Herzpatienten entwickelt. Der Wirkstoff bindet an Adenosin-A1-Rezeptoren, als Folge werden Signalwege blockiert, die ansonsten die neuronale Aktivität herunterregulieren.

Tau-Aggregate wie Betonmauer?

Das könnte für Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen von Nutzen sein. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Rolofylline für die Behandlung von Nervenstörungen geeignet sein könnte, die aufgrund einer Tauopathie auftreten. Dies macht den Wirkstoff zu einem heißen Kandidaten für weitere Untersuchungen", wird Frank Dennissen, Mitglied in der Arbeitsgruppe Mandelkow und Erstautor der aktuellen Veröffentlichung in der Mitteilung zitiert.

"In gewisser Weise ähneln die Tau-Aggregate einer Betonmauer, die ein Funksignal blockiert. Rolofylline scheint wie ein Verstärker zu wirken, der die Verbindung, trotz Hindernis, wiederherstellt." (eb)

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