Jedes bißchen Bewegung ist für Typ-2-Diabetiker ein Gewinn

Körperliche Aktivität und gesunde Kost bessern den Stoffwechsel von Typ-2-Diabetikern. Allein durch Bewegung kann häufig schon auf Tabletten oder Insulin verzichtet werden. Die Kunst ist, Patienten zu mehr Bewegung zu motivieren.

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Die Zahl der Typ-2-Diabetiker steigt in Deutschland rasant, vor allem zu dicke Menschen sind betroffen.

Daß sich bei hohem Diabetesrisiko, etwa bei gestörter Glukosetoleranz, durch Gewichtsreduktion mit Bewegungsprogrammen und gesunder Ernährung der Erkrankung vorbeugen läßt, ist inzwischen gut belegt. Und Patienten mit manifestem Diabetes können durch Bewegung und gesunde Kost den Stoffwechsel deutlich bessern und die Progression der Erkrankung bremsen.



Wie wirkt körperliche Aktivität bei Typ-2-Diabetes?

Körperliche Aktivität bessert bei Typ-2-Diabetikern mehrere metabolische Parameter. So wird die Insulinresistenz durch Muskelarbeit verringert. Damit wird der Kohlenhydratstoffwechsel verbessert. Auch ist bei Typ-2-Diabetikern eine Verbesserung der Lipidstoffwechsellage bei regelmäßigem Training nachgewiesen worden. Hinzu kommen weitere positive Aspekte wie eine allgemeine Stabilisierung des Stoffwechsels, eine Erleichterung der Gewichtsabnahme und eine Senkung des oft erhöhten Blutdrucks. "Durch effektive Gewichtsreduktion oder Ausdauertraining kann bei Diabetikern die Glykämie so gut reguliert werden, wie dies mit oralen Antidiabetika oder mit einer Insulintherapie kaum zu erreichen ist", sagt Professor Alfred Wirth aus Bad Rothenfelde (Ärztebl 101, 2004, A1748). Nach seinen Angaben erhöhen nach Studienergebnissen zwei bis vier Stunden Bewegung wöchentlich die Insulinsensitivität um etwa 30 Prozent und senken den HbA1c-Wert um ein bis zwei Prozent. Somit ist körperliche Betätigung bei Typ-2-Diabetikern als therapeutisches Grundprinzip anzusehen und zu empfehlen. (eis/Rö)

Körperliche Bewegung ist eine kausale Therapie gegen die Stoffwechselkrankheit. Sie verbessert die Blutzucker- und Cholesterinprofile, HbA1c- und Blutdruck-Werte werden verringert. "Die Wirkung von körperlicher Bewegung auf die Blutzuckerwerte ist so enorm, daß man häufig sogar auf Tabletten oder Insulin verzichten kann", sagt Privatdozent Stephan Jacob, Ärztlicher Direktor der Albert-Schweitzer-Klinik in Königsfeld im Schwarzwald.

Wie wirkt körperliche Aktivität gegen Diabetes?

Bewegung fördert langfristig den Muskelaufbau und sorgt für eine gute Durchblutung. Hierdurch können Glukose und Insulin gut auf die Körperzellen einwirken. Allein schon durch Kontraktion der Muskelzellen werde die Glukose-Aufnahme gefördert, sagt Jacob. Ebenso verbessert regelmäßige Bewegung die Empfindlichkeit der Körperzellen auf das (körpereigene) Insulin.

Eine verminderte Insulin-Sensitivität kennzeichnet ja bekanntlich den Beginn eines Typ-2-Diabetes. Die Zielzellen etwa in Leber, Muskeln oder Fettgewebe können nicht mehr angemessen auf das Hormon reagieren. Sie werden unter anderem durch ein Überangebot an Nährstoffen zunehmend unempfindlich dafür.

Die Wirksamkeit von körperlichem Training gegen Diabetes ist in vielen prospektiven Untersuchungen belegt worden. In der finnischen Diabetes Prevention Studie absolvierten zum Beispiel übergewichtige Patienten mit gestörter Glukosetoleranz ein Programm aus Bewegung und gesunder Ernährung.

Konkret hieß dies mindestens 150 Minuten Bewegung pro Woche, mindestens fünf Prozent des Körpergewichts abnehmen sowie eine Umstellung auf fettarme Kost mit vielen Ballaststoffen. Das Ergebnis: In der Interventionsgruppe war binnen vier Jahren die Inzidenz des Typ-2-Diabetes um 58 Prozent geringer als in der Kontrollgruppe.

Aber nicht nur auf den Stoffwechsel, sondern auch auf die bei Diabetikern häufigen Gefäßschäden wirkt sich ein regelmäßiges Training sehr günstig aus, sagt Jacob.

Das hat zum Beispiel eine Studie von Forschern um Professor Rainer Hambrecht aus Leipzig bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit ergeben, von denen ja - nach den Ergebnissen des European Heart Survey - drei Viertel einen gestörten Glukosestoffwechsel haben. 101 Patienten mit stabiler Angina pectoris bekamen dabei entweder eine PTCA mit Stent-Implantation, oder ihnen wurde täglich ein leichtes 20minütiges Training auf dem Ergometer verordnet (Circulation 109, 2004, 1371).

Binnen eines Jahres gab es bei den körperlich aktiven Patienten im Vergleich zur PTCA-Gruppe zwei Drittel weniger Ereignisse wie Rehospitalisierung wegen Angina pectoris, PTCA wegen akutem Koronarsyndrom, Insult oder Bypass-Op (sechs versus 21 Ereignisse in der PTCA-Gruppe).

Bewegungsprogramme sind wichtig für die Schulung

Wegen der guten Wirksamkeit-Belege setzt sich die Initiativgruppe Diabetes und Sport der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) dafür ein, daß körperliche Aktivität fester Bestandteil jeder Diabetesschulung werden soll. Wegen Begleiterkrankungen wie Cox- oder Gonarthrose ist Sport allerdings oft nur eingeschränkt möglich. Für ein regelmäßiges Training sind die vielmals älteren und übergewichtigen Menschen zudem nur schwer zu motivieren.

"Es ist kaum vorstellbar, welche schlimmen Erlebnisse viele Übergewichtige mit Sport verbinden" sagt Jacob: "Ihnen wurde ja in der Schule schon gesagt, sie sind unsportlich, und sie mußten böse Hänseleien ertragen." Oft sei es daher erfolgversprechender, den Patienten statt Sport möglichst viel Bewegung im Alltag zu empfehlen: etwa Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren oder regelmäßige Abendspaziergänge.

Die Patienten sollten sich ein Ritual ausdenken, etwa täglich vor dem Fernseher bei den "Tagesthemen" 30 Minuten auf einem Ergometer im Wohnzimmer strampeln. "Selbst wenn sie das im Leerlauf machen, ist es immer noch besser, als im Sessel zu sitzen", sagt Jacob.

Lassen sich Patienten zu regelmäßigem körperlichen Training motivieren, eignet sich Ausdauersport wie Laufen, Radfahren, Skilanglauf, Wandern oder Schwimmen. Empfohlen werden 20 bis 60 Minuten drei- bis fünfmal die Woche in einer Intensität, bei der die Patienten sich während der Bewegung noch gut unterhalten können.

Falls vorhanden, sollten Patienten in Diabetiker-Sportgruppen vermittelt werden. "Es macht ihnen häufig viel Spaß, sich mit anderen Betroffenen auf niedriger Stufe zu bewegen." Hilfreich hierbei ist das Programm DiSko (wie Diabetiker zu Sport kommen) der DDG. Eine Liste von Diabetes-Sportgruppen und DiSko-Übungsleitern in vielen deutschen Regionen gibt es im Internet (www.diabetes-sport.de, unter Informationen).

"Sport bei Diabetikern muß dosiert und unter ärztlicher Beratung erfolgen", sagt Jacob. Wichtig ist zu klären, ob die Patienten schon mikro- oder makrovaskuläre Folgekrankheiten haben, das heißt etwa an Retino-, Nephro- oder Polyneuropathie oder auch an koronarer Herzkrankheit leiden.

Bei schwerer Retinopathie zum Beispiel sollte nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Spezialisten und unter engmaschiger Kontrolle ein leichtes Bewegungsprogramm empfohlen werden. (eis)

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