Von der Ernährungsumstellung bis zur Therapie mit Stammzellen

Ansätze, Typ-1-Diabetes vorzubeugen reichen von glutenfreier Ernährung über eine Antigenspezifische Immunintervention bis hin zur Therapie mit Stammzellen.

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Von Prof. Hellmut Mehnert

Diabetes-Prävention sollte in einem möglichst frühen Stadium begonnen werden. Aber auch bei Patienten mit neu manifestiertem Typ-1-Diabetes ist eine adjuvante Immuntherapie prinzipiell sinnvoll, um die noch verbliebenen Beta-Zellen zu schützen. Bereits der Erhalt einer geringen Beta-Zell-Restmasse trägt wesentlich zu einer optimierten Blutzuckereinstellung bei reduzierter Insulintagesdosis bei und damit zur Vorbeugung akuter hypoglykämischer Episoden und chronischer Langzeitschäden.

Die Forschergruppe Diabetes in München unter Leitung von Professor Anette-G. Ziegler untersucht seit vielen Jahren die Ursachen des Typ-1-Diabetes sowie Möglichkeiten, die Erkrankung zu verhindern. So stellt die Babydiät- und die Pre-Point-Studie frühe Interventionen für Kinder dar, die ein hohes familiäres und genetisches Diabetesrisiko haben.

Die Babydiät-Studie testet den präventiven Effekt einer glutenfreien Ernährung im ersten Lebensjahr. Dieser Therapieansatz basiert auf Forschungsergebnissen der Arbeitsgruppe von Ziegler, wonach der möglichst späte Zeitpunkt der Einführung von glutenhaltigen Nahrungsmitteln in der frühkindlichen Ernährung für das Diabetesrisiko wichtig ist.

Die Pre-Point-Studie ist eine Diabetesimpfung oder anders ausgedrückt eine Antigen-spezifische Immunintervention. Durch Gabe von Antigen können Antigen-spezifische regulative T-Zellen induziert werden, die autoreaktive Effektor-T-Zellen in ihrer Aktivität unterdrücken. In der Pre-Point-Studie wird deswegen mit Insulin geimpft, oral als Schluckimpfung und nasal, weil - und das belegen wieder Forschungsergebnisse der Gruppe Ziegler - Insulin das erste Antigen ist, das während des autoimmunen Zerstörungsprozesses der Betazelle beim Typ-1-Diabetes vom Immunsystem angegriffen wird. Vierzig Kinder mit einem hohen familiären und HLA-genetischen Diabetesrisiko von zwei bis sieben Jahren können an der Pilotphase (Pre-Point-Studie) teilnehmen, in der eine sichere und für das Immunsystem bioverfügbare Dosis und Applikationsform des Insulins bestimmt wird.

Die AIDA-Studie und die Nabelschnurstudie sind beides späte adjuvante Therapien, die nach Diabetesmanifestation den Verlauf der Erkrankung günstig beeinflussen sollen. Durch die antiinflammatorische Behandlung mit dem anti-IL1-Rezeptor-Antagonisten soll in der AIDA- (Anti-Interleukin-1 in Diabetes Action) bei erwachsenen neuerkrankten Typ-1-Diabetikern die Betazellzerstörung aufgehalten werden.

Eine Zelltherapie mit autologem Nabelschnurblut ist eine alternative Therapieform und führte in den USA zu einer eindeutigen Verbesserung der Blutzuckerkontrolle bei Kindern mit neumanifesten Typ-1-Diabetes. Die Vorteile dieser Intervention liegen in der einmaligen Gabe von körpereigenen Zellen begründet. Nabelschnurblut ist reich an regulativen T-Zellen sowie Stammzellen, die sich in Insulin-produzierende Zellen umwandeln könnten. In der Arbeitsgruppe Ziegler werden in Zusammenarbeit mit der Kinderklinik in Schwabing, Kinder mit neu manifestiertem Typ-1-Diabetes behandelt. Voraussetzung ist natürlich eine kryokonservierte Nabelschnurblutprobe, die bei der Geburt eingelagert wurde. Nach Transfusion der Nabelschnurzellen wird über zwei Jahre nachuntersucht. Endpunkte sind Veränderungen von metabolischen oder immunologischen Parametern.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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