Gastkommentar zum CV-Risiko bei Diabetes

Fatalismus ist fehl am Platz

Von Professor Stephan Martin Veröffentlicht:

Wenn Dr. Uebel behauptet, dass das kardiovaskuläre Risiko von Personen mit Diabetes überschätzt werde, weil angeblich veraltete Daten zugrunde gelegt würden, so ignoriert er eine international sehr beachtete Analyse aller Bewohner Dänemarks.

Sie bestätigt, dass die kardiovaskuläre Mortalität bei Menschen mit Diabetes jener entspricht, die keinen Diabetes, aber einen Myokardinfarkt überlebt haben (Circulation 2008; 117: 1945). Auch ist bedenklich, wenn die Look-AHEAD Studie herangezogen wird, um zu behaupten, dass körperliche Aktivität bei Typ-2-Diabetes keinen Vorteil bringe.

In dieser Studie führte bei Personen mit schon länger bestehendem Typ-2-Diabetes die Kombination sehr intensiver Lebensstiländerungen mit mehr Bewegung und verbesserter Ernährung dazu, dass die Verordnungen von Antidiabetika und Antihypertensiva signifikant reduziert werden konnten - und zwar ohne dass der primäre kombinierte Endpunkt aus Gesamtmortalität, vaskulären Ereignissen und Hospitalisierungen wegen Angina pectoris unterschiedlich ausfiel.

Die Gesamtsterblichkeit, wie auch die Rate an tödlichen und nicht-tödlichen Myokardinfarkten war in der Interventionsgruppe um etwa 15 Prozent, wenngleich nicht signifikant, niedriger.

Bei Typ-2-Diabetikern, die nach einem bariatrischen Eingriff massiv Gewicht verlieren, reduzieren sich mikro- und makrovaskuläre Komplikationen deutlich. Ich verweise auf eine Analyse der SOS-Studie mit 7000 adipösen Typ-2-Diabetikern.

Die Gewichtsabnahme von 20 kg nach bariatrischer Op führte über im Mittel 18 Jahre zu Reduktionen mikrovaskulärer Komplikationen um 52 Prozent und makrovaskulärer Komplikationen um 31 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe! War der Diabetes gerade neu entdeckt, lag die Risikoreduktion mit 45 % höher als bei einer Diabetesdauer über mehr als drei Jahre (2 Prozent).

Das heißt also: Eine Hyperglykämie über drei Jahre richtet einen Gefäßschaden an, der nicht so einfach zu korrigieren ist! Daran ist zu denken, wenn wir über große Diabetesstudien diskutieren, bei denen mit der optimalen Diabetestherapie erst nach zehn Jahren begonnen wurde und in denen zum Teil schädliche Maßnahmen zu häufigen Hypoglykämien und starker Gewichtszunahme führten.

Ähnlich der Rheumatoiden Arthritis müssen wir Typ-2-Diabetiker vermutlich viel früher, viel konsequenter und in Kombination mit nicht-medikamentösen Verfahren therapieren.

Beim Internationalen Diabeteskongress 2013 in Melbourne wurde klargestellt, dass die Diabetes-Epidemie noch viel schneller voranschreitet als im Jahre 2006 prognostiziert. Wir haben weltweit ein Problem, das aus dem Verhalten der Menschen entsteht. Körperliche Inaktivität und falsche Ernährung führen zu einem Anstieg von Übergewicht und Adipositas mit sich daraus entwickelnden Erkrankungen.

Nun zu behaupten, Diabetes ist ja gar nicht so gefährlich und daran machen könne man sowieso nichts, ist der falsche Weg.

Zur Person: Professor Dr. Stephan Martin ist Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums des Verbundes der Katholischen Kliniken Düsseldorf.

Lesen Sie dazu auch: Diabetes: Helfen Antidiabetika dem Herzen?

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